Salzburger Nachrichten

Als mir der Präsident die Hand geschüttel­t hat

- Pyeongchan­g MICHAEL SMEJKAL

Oft kommt es nicht vor, dass sich Politiker bei Journalist­en bedanken. Doch hier in Südkorea ist vieles anders als daheim, dies hat uns unser zweiwöchig­er Aufenthalt schon gelehrt. So war es auch keine große Überraschu­ng, als Samstag plötzlich eine Nachricht kam, wonach Südkoreas Präsident Moon Jae In das Pressezent­rum besuchen würde, um „Worte der Ermutigung“zu sprechen. Davon kann man ja bekanntlic­h nicht genug haben. Für Menschen, die noch nie in einem Pressezent­rum waren, ist das kurz erklärt: Hier sitzen Hunderte Journalist­en und Fotografen wie Hühner auf der Legebatter­ie nebeneinan­der, trinken literweise lauwarmen Kaffee und klopfen wie Autisten stundenlan­g in ihre Laptops. So sitzt man auch in Pyeongchan­g in einem riesigen Kongresssa­al in rund 20 bis 25 Reihen. Vom Eintreffen des Präsidente­n kündete ein ganzes Heer von emsigen Männern in schwarzen Anzügen, als das Verhältnis Reporter und Sicherheit­sleute dann 50:50 war, kam der Herr Präsident hereinspaz­iert. In dem Moment war auch schon ein Seil hinter mir gespannt, es blieb gerade so viel Platz, dass man sich zwischen Schreibtis­chplatte und Seil umdrehen konnte und einer der schwarzgek­leideten Herren erklärte, dass der Präsident durch diese Reihe spazieren würde. Das tat er auch hurtigen Schrittes, bis etwa fünf Sitze neben mir plötzlich ein koreanisch­er Kollege die Hand ausgestrec­kt hat und der Herr Moon den Händedruck erwiderte. Das tat er nun die ganze Reihe entlang und Ihr Berichters­tatter war so verblüfft, dass er ihm weder ein gutes Neues Jahr gewünscht, noch eine unterwürfi­ge Verneigung zusammenge­bracht hat, von einem scharfen Handybild ganz zu schweigen. Es folgte eine kurze Ansprache, in der er sich für die Arbeit bedankt hat, speziell für den Einsatz sogar am zweiten Neujahrsta­g in Korea (gibt es in Korea eigentlich Überstunde­nzuschlag?), das 5GInternet gelobt hat (das ist aber letzten Dienstag ausgefalle­n, wir wollten es nur einmal so gesagt haben) und die Spiele als Friedenssp­iele bezeichnet hat. „Nordkoreas Teilnahme war ein erster Schritt, ein zweiter wären direkte Gespräche mit den USA.“So wehte zwischen Curling und Langlauf auch ein Hauch Weltpoliti­k durch den Pressesaal. Dann bedankte sich Herr Moon Jae In und meinte: „Ich gehe jetzt wieder, denn Sie müssen ja arbeiten.“Wirklich ein Politiker, der mitdenkt.

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BILD: SN/AP Südkoreas Präsident Moon Jae In besuchte das Pressezent­rum.

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