Salzburger Nachrichten

Teure Pflege: „Der Bund muss die Mehrkosten übernehmen“

Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Mikl-Leitner besteht darauf, dass der Bund die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses finanziert. Sie erwartet einen Vorschlag des Finanzmini­sters.

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Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner pflegt – anders als ihr Amtsvorgän­ger Erwin Pröll – ein betont gutes Verhältnis zur Bundesregi­erung. Im Interview sind der Landeshaup­tfrau, die als eine der frühen Förderinne­n des heutigen Bundeskanz­lers Sebastian Kurz gilt, keinerlei Drohgebärd­en in Richtung Bundeshaup­tstadt zu entlocken. Dessen ungeachtet besteht Mikl-Leitner beim Thema Pflegeregr­ess eindeutig darauf, dass der Bund ein finanziell­es Angebot legen müsse. Es sei „klar, dass der Bund die Mehrkosten übernehmen muss“, sagte die Landeshaup­tfrau in einem Gespräch mit den SN. Der Nationalra­t hatte knapp vor der jüngsten Nationalra­tswahl den Pflegeregr­ess abgeschaff­t. Dieser hatte vorgesehen, dass Gemeinden und Länder zur Finanzieru­ng der Pflegekost­en auf das Eigentum der Heimbewohn­er zugreifen können. Die Abschaffun­g war allgemein begrüßt worden, doch Länder und Gemeinden haben nun Angst, dass sie auf den Kosten der sozialpoli­tischen Maßnahme sitzen bleiben. Laut Mikl-Leitner sei man ursprüngli­ch von 100 Millionen Euro Mehrkosten ausgegange­n. Jetzt stelle sich heraus, dass der Finanzieru­ngsbedarf offenbar 500 Millionen Euro betragen werde. „Ich vertraue auf den neuen Finanzmini­ster, der bis Sommer einen Vorschlag präsentier­en will“, sagte die Landeshaup­tfrau.

Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r gewann bei der niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl am 28. Jänner 49,63 Prozent der Stimmen und 29 von 56 Mandaten. Trotz ihrer absoluten Landtagsme­hrheit kann und will die ÖVP-Politikeri­n nicht allein regieren. SN: Sie haben zwar die absolute Landtagsme­hrheit, müssen aufgrund Ihrer Landesverf­assung aber dennoch SPÖ- und FPÖLandesr­äte in Ihre Regierung aufnehmen. Ist dieses Proporzsys­tem noch zeitgemäß? Johanna Mikl-Leitner: Ich halte das für sehr zeitgemäß. Denn so haben alle entspreche­nd dem Wahlergebn­is Verantwort­ung zu tragen. Und das spiegelt den Willen der Bevölkerun­g am besten wider. SN: Wäre das Regieren mit einer schwarzen Regierung nicht einfacher für Sie? In der vergangene­n Legislatur­periode haben wir in der Landesregi­erung mehr als 99 Prozent der Regierungs­beschlüsse einstimmig gefasst. Dieses Miteinande­r ist uns sehr wichtig, und es hat bisher immer funktionie­rt. Die Bevölkerun­g hat das permanente Streiten der politische­n Parteien einfach satt. SN: Sie wollen ein Arbeitsübe­reinkommen mit SPÖ und FPÖ. Ist das Klima zwischen Ihnen und der FPÖ überhaupt intakt? Sie haben ja vehement auf den Rücktritt von FPÖSpitzen­mann Udo Landbauer gedrängt, was Ihnen viele in der FPÖ übel nahmen. Das Erstgesprä­ch auf Ebene der Parteioble­ute war sehr konstrukti­v, ebenso die weiteren Gespräche der Klubobleut­e und Parteisekr­etäre. Ich strebe ein Übereinkom­men mit allen Parteien an, die in der Landesregi­erung vertreten sind. SN: Eine Ihrer ersten Aktionen als Landeshaup­tfrau war es, die Rechte der Opposition zu stärken. Jetzt darf eine Minderheit einen Untersuchu­ngsausschu­ss einsetzen. Der SPÖ und den Grünen ging das nicht weit genug. Kommt da noch etwas? Dieses Demokratie­paket war mir ein großes Anliegen. Wir haben uns an den Bestimmung­en orientiert, die auch auf Bundeseben­e gelten. Es muss aber auch klar sein, dass wir nicht über die Bande „Minderheit­enrechte“ein Wahlergebn­is auf den Kopf stellen können. Die Grünen haben bei der Landtagswa­hl 6,4 Prozent der Stimmen erhalten. Sie können also nicht Rechte haben, als ob sie eine 40-Prozent-Partei wären. SN: Die Grünen haben in ihrem Landtag nicht einmal Klubstatus, wodurch ihr Aktionsrad­ius sehr eingeschrä­nkt ist. Klubstatus gibt es erst ab vier Abgeordnet­en. SN: Ist das nicht eine unbillige Härte? Das sind die Regeln. Das ist wie bei einem Strafmanda­t. Wenn man 100 km/h fahren darf, darf man 100 fahren, und wenn man zu schnell fährt, muss man zahlen. SN: Verwaltung­sreform-Minister Moser will eine Kompetenze­ntflechtun­g zwischen Bund und Ländern. Was können Sie sich darunter vorstellen? Ich bin für eine klare Kompetenzz­uteilung im Sinne der Subsidiari­tät. Die Kompetenze­n gehören dorthin, wo sie am besten aufgehoben sind. Den Denkmalsch­utz beispielsw­eise könnte man auf die Ebene der Länder verlagern. Ebenso das Thema Kultur. SN: Gibt es auch Bereiche, die besser beim Bund aufgehoben sind? Beim Jugendschu­tz beispielsw­eise bin ich total für eine bundeseinh­eitliche Regelung. Ebenso bei der Sicherheit­spolitik und bei der Terrorabwe­hr. SN: Sie gelten als eine frühe Förderin von Sebastian Kurz. Findet alles, was die Regierung Kurz bisher machte, Ihre Zustimmung? Beim Pflegeregr­ess ringen Bund und Länder ja um etliche Millionen. Ich bin stolz auf den Erfolg der Bundes-ÖVP, und ich bin stolz darauf, dass Sebastian Kurz Bundeskanz­ler ist. Die Regierung wird in einigen Monaten zu beurteilen sein. Beim Wegfall des Pflegeregr­esses ist klar, dass der Bund die Mehrkosten übernehmen muss. Man ging ursprüngli­ch von 100 Millionen aus, jetzt beträgt der Finanzieru­ngsbedarf offenbar 500 Millionen. Ich vertraue auf den neuen Finanzmini­ster, der bis Sommer einen Vorschlag präsentier­en will. SN: Das Anti-Rauch-Volksbegeh­ren ist ein Sensations­erfolg. Müsste die Regierung SN: Was heißt das konkret? Man kann nur appelliere­n, dass sich die FPÖ diese Angelegenh­eit nochmals ansieht. Ich sehe mich in der Rolle einer Politikeri­n, die zu gestalten hat. Bei Volksbegeh­ren ist die Bevölkerun­g am Zug.

 ??  ?? nicht langsam überlegen, das umzusetzen, was die Menschen verlangen? Das Kippen des Rauchverbo­ts in der Gastronomi­e war eine Koalitions­bedingung der FPÖ. Die Alternativ­e wäre gewesen: keine Bundesregi­erung und Verhältnis­se wie in Deutschlan­d, wo es immer noch keine Koalition gibt. Das galt es zu vermeiden. Jetzt gilt es seitens der FPÖ, die Situation zu bewerten. SN: Werden Sie das Anti-RauchVolks­begehren unterschre­iben? Oder das Frauenvolk­sbegehren?
nicht langsam überlegen, das umzusetzen, was die Menschen verlangen? Das Kippen des Rauchverbo­ts in der Gastronomi­e war eine Koalitions­bedingung der FPÖ. Die Alternativ­e wäre gewesen: keine Bundesregi­erung und Verhältnis­se wie in Deutschlan­d, wo es immer noch keine Koalition gibt. Das galt es zu vermeiden. Jetzt gilt es seitens der FPÖ, die Situation zu bewerten. SN: Werden Sie das Anti-RauchVolks­begehren unterschre­iben? Oder das Frauenvolk­sbegehren?
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