Die Türkei protestiert scharf
Die Anerkennung des vor 100 Jahren verübten Völkermords an den Armeniern durch das niederländische Parlament hat zu neuen Spannungen zwischen Ankara und Den Haag geführt.
„Wir bedauern die Massaker, sind aber gegen Einstufung als Genozid.“
Das türkische Außenministerium in Ankara bestellte am Freitag aus Protest gegen den jüngsten Entscheid des Parlaments in Den Haag den Geschäftsträger der Niederlande ein, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Die niederländischen Abgeordneten hatten am Donnerstag mit überwältigender Mehrheit für die Einstufung des Vorgehens gegen die Armenier im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges als Völkermord gestimmt. Die Regierung will zurückhaltender weiterhin von „der Frage des armenischen Genozids“reden, aber einen Vertreter zur Gedenkfeier in Eriwan am 24. April entsenden.
Der Beschluss belastet die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und den Niederlanden weiter. Auch gegen die Einstufung des Deutschen Bundestags der Massaker als Völkermord im Juni 2016 hatte die Türkei heftig protestiert.
Bereits am Donnerstagabend verurteilte das türkische Außenministerium den niederländischen Parlamentsbeschluss „aufs Schärfste“und sprach ihm jede rechtliche Verbindlichkeit und Gültigkeit ab. Die Türkei warf den Niederlanden zudem vor, das Massaker bosnischserbischer Truppen in Srebrenica 1995 an bosnischen Muslimen geduldet zu haben. Niederländische UNO-Soldaten hatten den Angreifern die Stadt zuvor kampflos überlassen.
Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte, der Beschluss spiegle „Islamfeindlichkeit“und „Türkeifeindlichkeit“in Europa. Die niederländische Regierung reagierte zunächst gelassen. „Die türkische Reaktion war zu erwarten“, sagte die amtierende Außenministerin Sigrid Kaag am Freitag in Den Haag. Ihre Regierung gehe „mit Zurückhaltung mit der Frage des armenischen Genozids“um.
Das Verhältnis der beiden NatoPartner ist angespannt, seitdem die Niederlande 2017 Auftritte türkischer Minister vor dem Referendum zur neuen türkischen Verfassung untersagt hatten. Anfang Februar hatten die Niederlande ihren Botschafter formell aus Ankara zurückgerufen. In der vergangenen Woche hatte die Türkei im Zusammenhang mit der geplanten Genozid-Erklärung bereits den nun höchsten niederländischen Diplomaten einbestellt.
Bis zu 1,5 Millionen Armenier waren von 1915 an bei Massakern und Deportationen ums Leben gekommen. Die armenische Regierung fordert von der Türkei als rechtlichem Nachfolger des Osmanischen Reiches, die Gräueltaten als Genozid anzuerkennen. Die Türkei bedauert die Massaker, lehnt die Einstufung als Völkermord aber strikt ab. Sie hält die Opferzahlen zudem für überzogen.
Dutzende Staaten und Organisationen haben die Gräueltaten an den Armeniern als Genozid verurteilt, darunter Frankreich, die Schweiz, Schweden und Russland. Im Juni 2016 hatte auch der Deutsche Bundestag in Berlin beschlossen, die Gräuel an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord einzustufen.
Der österreichische Nationalrat beschloss im Jahr 2015 eine SechsParteien-Erklärung zur Verurteilung des Genozids an den Armeniern. Die Türkei berief daraufhin ihren Botschafter aus Wien vorübergehend ab und erklärte die bilateralen Beziehungen als „dauerhaft beschädigt“.