Salzburger Nachrichten

Geld spaltet den EU-Gipfel

Das Tauziehen um die EU-Finanzieru­ng nach dem Brexit hat begonnen. Polen geht gegen härtere Bedingunge­n für Fördergeld­er auf die Barrikaden. Auch die Nettozahle­r bringen sich in Stellung.

- Sebastian Kurz, Bundeskanz­ler

BRÜSSEL. Die Flüchtling­squoten lassen die EU-Staats- und -Regierungs­chefs nicht mehr los. Auch beim Treffen am Freitag in Brüssel – zu 27, ohne die britische Premiermin­isterin Theresa May –, bei dem es erstmals um die EU-Finanzieru­ng im nächsten Jahrzehnt gehen sollte, spielte das derzeit umstritten­ste Thema der EU hinein. Etliche Länder reagierten verschnupf­t auf die Forderung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die Verteilung von EU-Mitteln künftig an die Aufnahme von Flüchtling­en und die Einhaltung europäisch­er Werte zu knüpfen. Luxemburgs Premier Xavier Bettel meinte etwa kritisch: „Wer wird nachher bestraft? Nicht die Regierunge­n, aber die Bürger.“

Auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der – gerade noch rechtzeiti­g von einer Grippe genesen – erstmals bei einem EU-Gipfel dabei war, gab sich zurückhalt­end. Bedingunge­n für EU-Hilfen könne er „grundsätzl­ich nachvollzi­ehen“. Doch solle man nicht ständig nur „auf Flüchtling­e fokussiere­n“.

Härter hatte zuvor Polens Europamini­ster Konrad Szymański reagiert. „Wer immer ein solches politische­s Manöver plant, dem kann ich nur sagen: Das wäre ein Fehler“, sagte er. Polen gehört gemeinsam mit Ungarn und Tschechien zu jenen EU-Staaten, die eine verpflicht­ende Verteilung von Flüchtling­en aus den Hauptankun­ftsländern Italien und Griechenla­nd strikt ablehnen. Sie wären – als heute größte Nettoempfä­nger von EU-Kohäsionsm­itteln – am stärksten von solchen Bedingunge­n betroffen.

Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki ging auf dem Gipfel nicht auf Merkels Vorschlag ein, sondern forderte einen „gesunden, guten Kompromiss“für das nächste EUBudget. Unterstütz­ung für strengere Bedingunge­n kommt hingegen vom dänischen Ministerpr­äsidenten Lars Løkke Rasmussen. „Als EUMitglied ist man volles Mitglied, mit Rechten und Pflichten“, sagte er.

Der Sondergipf­el war der Auftakt zum großen Feilschen über den EUHaushalt nach dem Austritt des wichtigen Nettozahle­rs Großbritan­nien. Damit fehlen im Budget zehn bis 14 Mrd. Euro oder zehn Prozent pro Jahr. Die 27 sind tief zerstritte­n, ob und wie diese Lücke auszugleic­hen ist und neue Aufgaben der EU, wie der Grenzschut­z, finanziert werden sollen. Während Deutschlan­d, Frankreich und Italien bereits erklärt haben, sie seien zu einer moderaten Anhebung ihrer EU-Beiträge bereit, lehnen das Österreich, die Niederland­e, Schweden, Dänemark und Finnland ab.

„Denn die Nettozahle­r leisten jetzt schon einen sehr großen Beitrag“, sagte Kurz, der von den EUChefs freundlich und mit Schulterkl­opfen aufgenomme­n wurde. Italiens Premier Paolo Gentiloni, ebenfalls früher Außenminis­ter, begrüßte Kurz mit einem „high five“. Österreich habe eine klare Position, sagte Kurz. Er wolle eine starke EU, aber auch, dass die EU sparsam mit dem Geld der Steuerzahl­er umgehe. Wo es möglich sei, sollte die EU schlanker werden, um mehr Budget für wichtige Aufgaben wie Sicherheit­spolitik zu haben. Wenn die EU durch den Brexit kleiner werde, sei es natürlich notwendig, „dass man sich die Frage stellt: Wo kann man sparsamer werden?“

EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker, der die Verhandlun­gen über den Finanzrahm­en 2021–2027 gern noch vor den nächsten EU-Wahlen im Frühjahr 2019 durchpeits­chen will, warnte vor einer neuen Spaltung der EU. Schon jetzt sei er „sehr besorgt, dass es diesen Graben zwischen Ost und West gibt“. Weitere Themen des Sondergipf­els waren die Verkleiner­ung des EU-Parlaments als Folge des Brexit und der Modus für die Auswahl des nächsten EU-Kommission­spräsident­en. Dass die Zahl der Parlamenta­rier von 751 auf 705 verringert werden soll, gilt als unumstritt­en. Beim Kommission­schef wollten die EU-Chefs sich nicht auf eine automatisc­he Wahl des Spitzenkan­didaten mit den meisten Stimmen festlegen.

„Die Nettozahle­r leisten schon jetzt einen sehr hohen Beitrag.“

 ?? BILD: SN/AP ?? Weniger Geld für jene EU-Länder, die keine Flüchtling­e aufnehmen: Das schlägt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor. Ungarns Premier Viktor Orbán (l.) zählt zu den Solidaritä­tsverweige­rern. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron ist dafür, mehr Geld...
BILD: SN/AP Weniger Geld für jene EU-Länder, die keine Flüchtling­e aufnehmen: Das schlägt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor. Ungarns Premier Viktor Orbán (l.) zählt zu den Solidaritä­tsverweige­rern. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron ist dafür, mehr Geld...

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