Ja und Nein müssen abgeschafft werden
Von der Schwierigkeit der direkten Demokratie und den grandiosen Vorzügen autoritärer Strukturen.
Nehmen wir das Rauchen. Davon wird man süchtig und krank – und die anderen auch. Ich habe mich, als Raucher schon aus Eigeninteresse, informiert und unterschrieben – nicht damit es anderen besser geht, sondern mir selbst. Denn ich schaffe es nicht, aufzuhören. Sonst lehne ich Zwang ab. In diesem Fall aber halte ich es für günstig, sooft es geht, zum Nichtrauchen gezwungen zu werden. Ein Rauchverbot durchzuziehen wäre aber wohl trotz aller Vernunft zu einfach. Die Politik müsse da alle möglichen Interessen mitbedenken, sagen Politiker gern in so einem Zusammenhang.
Wer viel fragt, geht viel irr, heißt es. Darum sollte das Volk, also dessen stimmberechtigter Teil, nicht oft befragt werden. Kommt ja nichts raus. Politikerinnen und Politiker, erst recht, wenn sie als Regierende neu im Geschäft sind, geraten da bloß durcheinander. Sie reden gern davon, dass direkte Demokratie wichtig sei. Reden ist ihr Geschäft. Darum sagen sie selten „Ja“oder „Nein“, das wäre zu einfach. Sie sagen lieber, dass „man das nicht so einfach beantworten“ könne. Das stimmt nicht. Es ließe sich vieles einfach beantworten. Aber das Herumgerede füllt halt Sendezeit. Außerdem ist die Wahrheit den Menschen zumutbar, aber oft könnte sie sich blöd aufs Wahlverhalten auswirken. Vielleicht ist das Volk dumm, aber blöd sind die Leute nicht.
Darum sind Volksabstimmungen ein Problem. Da werden Entscheidungsfragen gestellt. Da ist kein Platz für Ausreden. Da gibt es nur „Ja“oder „Nein“. Herrlich oder? Ja. Nein. Diese Einfachheit sehnt man sich herbei. Leider steht sie im Gegensatz zur Realität. Es ist ja alles so komplex. Ohne Dings kein Dings. Das mit dem Radl, das irgendwo in China umfällt, taugte früher bloß für einen Schmäh. Jetzt, da wir alles durchglobalisiert haben, kann es ganze Systeme zum Wanken bringen. Alles hängt nämlich zusammen und voneinander ab. Entscheidungsfragen – „Rauchverbot – Ja oder Nein?“– sind deshalb aus der Mode. Die Wirklichkeit wird zum sozialen Konstrukt, das sich durch Hinbiegen von Studienergebnissen oder Markt- analysen im Sinn der Biegsamen bestens formen lässt. Wer da viel fragt, muss irre werden.
Man wolle immer nur das Beste, heißt es dann. Und oft wissen die, für die dieses angeblich Beste gewollt wird, gar nicht, wie ihnen geschieht. Das Volk ist undankbar! Ich bin Eltern, Mitglied einer Familienregierung. Ich weiß, wovon ich schreibe. Ich kenne kaum Eltern, die nicht auch immer das Beste wollen. Zuletzt wollte ich hinaus in die Natur. Wandern. Skifahren. Langlaufen. Da argumentiert man auch mit der Fürsorge und dem Wohlergehen für den Nachwuchs. Bewegung wäre wichtig, zum Beispiel. Also frage ich als überzeugter Demokrat die Lolinger, ob wir am Wochenende langlaufen gehen sollen. Sie ahnen es: Schon während ich die Frage formuliere, keimt in mir der Wunsch, ein bisschen diktatorisches und autoritäres Blut in mir zu haben. Wir waren nicht langlaufen. Dafür war Zeit, Mitleid für Politiker zu empfinden. WWW.SN.AT/FLIEHER