Feine Klänge, die die Schönheit suchen
Mirga Gražinytė-Tyla über Werk und Wirkung Claude Debussys und ihr Salzburger Konzert.
Nicht alltägliches Material liegt am Sonntag auf den Pulten des Mozarteumorchesters, wenn Mirga Gražinytė-Tyla die 4. Sonntagsmatinee der Saison dirigiert. Mittlerweile ist die Gewinnerin des Young Conductors Award der Salzburger Festspiele und ehemalige Musikdirektorin des Salzburger Landestheaters international auf Höhenflug. Als agile Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra, das einst Simon Rattle groß gemacht hat, erntet sie vor Ort und auf Tournee tolle Erfolge.
Nun ist Salzburg, im übertragenen Sinn, die kleine Welt, in der das Große seine Probe hält. Denn von 16. bis 25. März findet in Birmingham ein Debussy-Festival statt, das, so erzählt Mirga Gražinytė-Tyla, zu einem Stadtfest werden soll. Sie selbst wird mehrere thematisch gegliederte Programme dirigieren wie „Sensual Debussy“, „Modern Debussy“, „Exotic Debussy“oder Debussy und die Natur, letzteres natürlich mit den drei Symphonischen Skizzen „La Mer“, eines der populärsten Werke Debussys.
Es wird auch das Programm der Salzburger Sonntagsmatinee beschließen – und Mirga GražinytėTyla freut sich, dass das Mozarteumorchester dafür seine Streichersektion so aufgestockt hat, dass der Klang expandieren und damit fließen und in allen Farben schillern kann.
Mit den „Trois Nocturnes“am Anfang legt sich die Debussy-Klammer um den raren Liederzyklus „Des Hafis Liebeslieder“von Karol Szymanowski, „eine faszinierende Verschmelzung von Impressionismus und Hochromantik“, und „Un sourire“von Olivier Messiaen, jenes rund zehnminütige „Lächeln“, das der „geistige Schüler“Debussys 1989 Mozart gewidmet hat.
Claude Debussy ist vor 100 Jahren, am 25. März 1918, gestorben, aber sein Einfluss reicht weiter – von Erik Satie über Pierre Boulez und die französischen Spektralisten wie Tristan Murail bis in unsere Tage: Im Festival von Birmingham steht dafür der britische Komponist George Benjamin.
Was macht diese Wirkung aus? „Für mich ist es die Suche nach Schönheit, die für Debussy eine zentrale Lebensfrage gewesen sein muss“, so bringt es Mirga GražinytėTyla auf den Punkt: die Lust des Genießens, einer auch in den Harmonien der Musik fast körperlich spürbaren Sinnlichkeit.
Debussy sei in diesem Sinne eingebettet in die französische (Musik-)Kultur und zugleich Öffner neuer Welten: ein „rebellischer Geist, dem auch die Stille wichtig war“, der das Weiche, Geschmeidige, Fließende, eine Süße des Empfindens liebte.
Der Impressionismus: Konnte er nur in Frankreich entstehen? Womöglich ja, denn im Deutschen herrschten viel eher das philosophische Denken, das dialektische Argumentieren, ein lutherisches Lebensgefühl vor, argumentiert die Dirigentin.
Mit Vehemenz hat sich Debussy deswegen gegen den – auch Frankreich erfassenden – Wagner-Kult gewendet und mit jedem Werk etwas Neues erfinden wollen, eine Vielseitigkeit, die schon seine Zeitgenossen oft irritiert hat. Jeder Akademismus war Debussy suspekt, stattdessen war es „der Mut, dem eigenen Instinkt zu folgen“, der ihn leitete, meint Mirga GražinytėTyla, die in ihrem Festival gerade deshalb die Vielfalt der Klangwelt Debussys zeigen will.
Einen feinen Vorgeschmack darauf darf man sich schon in der Sonntagsmatinee in Salzburg erwarten. Konzert: