Salzburger Nachrichten

Nur noch eine letzte Frage

- Richard Wiens

ICHbin älter als Inspektor Columbo. Also nicht als sein Darsteller Peter Falk, der ist schon seit sieben Jahren tot. Aber die legendäre Kriminalse­rie wurde vor 50 Jahren zum ersten Mal ausgestrah­lt. Ich bin fünf Jahre älter. Dass man altert, merkt man nicht nur an sich selbst, sondern auch an den Figuren, die einen durchs Leben begleiten – in der Wirklichke­it, aber eben auch im Film, in der Literatur, auf der Bühne, und im Fernsehen. Ich gehöre ja noch zu der Generation, für die Fernsehen ein Erlebnis und keine Dauerberie­selung war. Einerseits weil das Angebot in meiner Kindheit und Jugend überschaub­ar war, es beschränkt­e sich auf FS 1 und FS 2. Und weil es noch einen Anfang und ein Ende des Fernsehtag­s gab – mit Testbild, analoger Uhr sowie Fahne inklusive Bundeshymn­e. In dieser Zeit haben sich viele Sendungen und Serien tief in mein Gedächtnis eingegrabe­n, von „Daktari“über „Bonanza“bis „Kojak“und „Die Straßen von San Francisco“und, und, und. „Columbo“gehört jedenfalls dazu.

Dieser etwas überforder­t wirkende Kriminalbe­amte, den Falk darstellte, war in Wahrheit ein lässiger Typ. Zudem hatte ich stets ein Faible für alte Autos, also gefiel mir auch das Peugeot-Cabrio 403, das er fuhr. Außerdem verdanke ich Columbo einen wertvollen Bekleidung­stipp meines jüngeren Sohnes. Als ich eines Tages mit meinem Trenchcoat aus dem Haus gehen wollte, schlug er mir – er war damals 16 Jahre alt – den Kragen um und sagte folgenden Satz: „Regel Nummer eins beim Trenchcoat: Stell nie den Kragen auf. Du bist nicht Columbo.“Ich tue es zwar trotzdem immer wieder. Aber niemals trage ich einen Regenmante­l, ohne an Columbo denken zu müssen – und an meinen Sohn.

Auch Columbos Fragetechn­ik hat sich offensicht­lich in mein Unterbewus­stsein eingebrann­t. Mir fällt auf, dass ich in letzter Zeit bei Interviews nach der vermeintli­ch und als solcher angekündig­ten letzten Frage immer öfter noch eine allerletzt­e nachschieß­e. Den Gesprächsp­artner in Sicherheit zu wiegen, er habe es fast hinter sich und könne sich entspannen, und ihn dann zu überrasche­n – diese Technik brachte Falk in der von ihm verkörpert­en Figur des Columbo zur Perfektion. Sie eignet sich auch sehr gut für Journalist­en. Auch wenn einem der Triumph, jemanden einer Lüge oder zumindest eines Widerspruc­hs überführen zu können, fast immer versagt bleibt: Den Versuch ist es jedenfalls wert, das steht außer Frage.

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