In der Hochsaison ein „Blackout“– und was dann?
ZELL AM SEE. Hochsaison. Semesterferien. Man schreibt den 9. Februar 2019. Ein Samstag. Tausende Menschen sind in Urlaubslaune. Am Kitzsteinhorn tummeln sich 9500 Wintersportler.
Um 15 Uhr bricht das Stromnetz im Pinzgau zusammen. Seilbahnen und Lifte stoppen ruckartig. Nach 15 Minuten werden die Menschen auf den Liftsesseln langsam nervös.
Im Tal steht die Eisenbahn still. Telefonanlagen läuten nicht mehr, Ampeln hören auf zu blinken. Elektrogeräte und Heizungen fallen aus. Aber nicht nur am „Kitz“, sondern in weiten Teilen Europas heißt es „rien ne va plus“– nicht nichts geht mehr, denn der Strom fiel flächendeckend aus. Und zwar im gesamten restlichen Salzburg. Notstromaggregate müssen angeworfen werden. Auch in den lokalen Spitälern.
Die Gletscherbahnen Kaprun fahren ab 15.30 Uhr im Notbetrieb alle Lifte in die Stationen zurück. Die frierenden Skifahrer werden in die Restaurants und Hütten gebracht. 5000 finden Platz. Draußen im Freien warten noch Tausende in klirrender Kälte auf Einlass. Die Lage spitzt sich langsam zu. Tag 1 ohne Strom: 17.15 Uhr: In einem höher gelegenen Bauernhof in Mittersill schreien die 33 Kühe im Stall immer lauter. Sie sollten schon gemolken werden, aber ohne Strom funktioniert die Melkanlage nicht.
19.45 Uhr, Zell am See: Im Tauernklinikum kann die Versorgung an diesem Tag aufrechterhalten werden. In jeder Pinzgauer Gemeinde ist seit 17 Uhr ein Leitungsstab eingerichtet. Der koordiniert und stellt sicher, dass die Menschen mit Wasser und Lebensmitteln versorgt werden. 23.30 Uhr: Verkehrsunfälle, Streitigkeiten, Einbrüche in Lebensmittelgeschäfte häufen sich. Die Polizei gerät langsam, aber sicher an ihre Leistungsgrenzen. Tag 2 mit kurzem „Stromfenster“. Das Bundesland Salzburg wird zum Katastrophengebiet erklärt. Treibstoff an einzelnen, mit Notstrom betriebenen Tankstellen wird nach strenger Priorität vor allem nur mehr an Fahrzeuge der Einsatzkräfte vergeben. Tag 3: Notverordnungen müssen erlassen werden. 8.30 Uhr: Seit einer Stunde stehen an die 100 Leute vor dem örtlichen Bankinstitut in Maria Alm. Sie wollen Bargeld abheben. Als sie am Schalter erfahren, dass bis auf Weiteres pro Person und Tag maximal 400 Euro ausbezahlt werden, weil der Bargeldvorrat der Bank begrenzt ist, kommt es zu heftigen Unmutsäußerungen. Tag 4 ohne Strom, Maishofen: Der Blick in die Vorratskammer der sechsköpfigen Familie ist ernüchternd. Zwei Wecken Brot reichen noch für die kommenden Tage. Milch, Eier, Butter, Öl und Mehl sind aufgebraucht. Die Lebensmittelgeschäfte im Ort sind leer gekauft. Tag 5 ohne Strom: Hunger und Kälte plagen die Menschen. In Teilen des Landes bricht die öffentliche Ordnung zusammen.
Wie das detaillierte Drehbuch eines Katastrophenfilms liest sich die Fallstudie des Bundesheer-Offiziers Oberst Gottfried Pausch. Der gebürtige Maishofener, in der Schwarzenbergkaserne stationiert, nennt seine 117 Seiten umfassende Fallstudie „Blackout und seine Folgen – worauf sich die Bevölkerung des Pinzgaus bei einem großräumigen Strom- und InfrastrukturUnfall einstellen sollte“. Er hat sie an das Militärkommando, das Land Salzburg, die Landesorganisationen des Roten Kreuzes und der Feuerwehr, an die Bezirkshauptmannschaft Zell am See „und einige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister übermittelt“.
Die Reaktionen seien bisher „verhalten“. Reagiert hätten nur die Bürgermeisterin von Stuhlfelden, Sonja Ottenbacher, und Lofers Vizebgm. Karin Berger.
Er habe die Studie verfasst, um Führungskräften in militärischen Kommanden und Verbänden Grundlagen für eine realistische Beurteilung der zivilen Lage im Blackout-Fall zu ermöglichen.
„Die Qualität der Leitungsnetze in Europa ist unterschiedlich.“ „Es geht um Vorsorge, nicht um eine Panikmache .“
Die erarbeiteten Checklisten und Krisenpläne seien als Denkanstoß zu verstehen.
Machen Sie sich mit der Studie im aktuellen Streitfall um die 380-kV-Leitung in Salzburg nicht zum Handlanger der E-Wirtschaft, Herr Oberst? „Nein. Es wird von den Entscheidungsträgern zu wenig kritisch angedacht, dass die Gefahr, mit einem mehrtägigen Stromausfall konfrontiert zu werden, absolut vorhanden ist. Stichwort: kollabierende Netze, Stichwort Hacker und bewusst gesetzte Computerviren.“
Anstoß zur Studie sei eine parlamentarische Anfrage im Jahr 2015 zum Komplex „Blackout in Europa“gewesen – und vor allem auch die Frage, welche Herausforderung auf das Bundesheer als „Strategische Reserve Österreichs“zukommen könnte.