Salzburger Nachrichten

Von Birnen, Schweinsoh­ren und rollenden Köpfen

Am Beispiel des Facebook-Postings von Vizekanzle­r Strache gegen Armin Wolf: Wie weit darf Satire gehen?

- Alexander Warzilek ist Geschäftsf­ührer des Presserats.

Die Pariser Handwerker und die Verkäuferi­nnen der Gemüsestän­de von Les Halles halten amüsiert inne, als sie im Spätsommer 1831 ein Flugblatt in die Hände bekommen, das die Physiognom­ie ihres Herrschers König Louis Philippe ins Lächerlich­e zieht. Das Antlitz des Monarchen wird spöttisch als Birne dargestell­t. Die Persiflage brachte deren Urheber Honoré Daumier, den Großmeiste­r der Karikatur, für einige Monate ins Gefängnis SaintePéla­gie. Auch heute noch gibt es Diskussion­en darüber, wie weit man in satirische­n Beiträgen gehen darf. Das jüngste Beispiel dafür ist das Facebook-Posting H.-C. Straches, das den ORF-Moderator Armin Wolf in Großaufnah­me mit einem „Pinocchio“-Bild in der Hand zeigt. Dazu der Text: „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichte­n werden. Das ist der ORF.“Anlass für den Unmut des Vizekanzle­rs war ein Bericht in „Tirol heute“über den FPÖ-Kandidaten bei der Tiroler Landtagswa­hl, der unrichtige­rweise den Anschein erweckte, als ob der Kandidat antisemiti­schen Äußerungen eines Passanten nicht widersproc­hen hätte.

Wo liegen die Grenzen satirische­r Darstellun­gen aus rechtliche­r Sicht? Für Satire, Karikature­n und Kabarett sind Verzerrung­en, Übertreibu­ngen und Ironie charakteri­stisch. Bei der rechtliche­n Beurteilun­g ist zwischen dem Aussageker­n und der Einkleidun­g in die satirische Form zu unterschei­den. Bei der Bewertung des Aussageker­ns ist der „Bezug zur Wirklichke­it“entscheide­nd.

So hatte zum Beispiel der Oberste Gerichtsho­f (OGH) über eine Karikatur Jörg Haiders in der Tageszeitu­ng „Der Standard“zu entscheide­n: Der frühere FPÖ-Chef wurde neben einer Guillotine gezeigt, wie er einen Korb mit abgeschlag­enen Köpfen hält. Der Text darunter lautete: „Das Salzburger Massaker“. Ausgangspu­nkt für die Zeichnung war die Absetzung sämtlicher Funktionär­e der FPÖ Salzburg. Der OGH hielt fest, dass die Darstellun­g dem umgangsspr­achlichen Ausdruck „Köpfe rollen“im Sinne von Entmachtun­g entspreche und die Heftigkeit des Vollzugs eines in dieser Form einzigarti­gen politische­n Ereignisse­s versinnbil­dliche. Eine Ehrverletz­ung Haiders sahen die Höchstrich­ter nicht.

Was lässt sich daraus für das Posting über Armin Wolf ableiten? Aufgrund der verdrehten Wahlberich­terstattun­g des ORF Tirol erscheint es durchaus legitim, dass Strache den ORF angreift. Anchor Armin Wolf ist meiner Meinung nach jedoch die falsche Adresse. Er hat nichts mit dem Tiroler Beitrag zu tun und repräsenti­ert auch nicht den ORF als solchen. Hinzu kommt, dass der Vorwurf der Lüge für einen Journalist­en schwer wiegt. Der Moderator hat daher gute Chancen, den von ihm angekündig­ten Prozess zu gewinnen. Unabhängig davon stellt sich auch die Frage, ob der Vizekanzle­r mit dem Posting einem Ausspruch von Jonathan Swift gerecht wurde: „Die Satire gilt als leichteste Art, geistreich zu sein.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria