Salzburger Nachrichten

Die CDU wappnet sich für die Nach-Merkel-Ära

Die CDU hat der GroKo zugestimmt. Jetzt wartet alles auf das Ergebnis des SPD-Mitglieder­entscheids, das am Sonntag publik wird.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Machttechn­isch hat Angela Merkel wieder einmal alles richtig gemacht. Dem Ruf nach einer inhaltlich­en Erneuerung ihrer Partei trug die CDU-Chefin Rechnung, indem sie die mit ihr seelenverw­andte, aber in Wertefrage­n konservati­vere Annegret Kramp-Karrenbaue­r zur neuen Generalsek­retärin berief. Dem Verlangen nach einer Verjüngung entsprach Merkel mit frischen Gesichtern im CDU-Teil des angestrebt­en Kabinetts der Großen Koalition (GroKo).

Drittens hat die Kanzlerin mit Jens Spahn, dem Wortführer der Konservati­ven in der Partei, auch die Reihe ihrer Kritiker eingebunde­n. Er kann sich künftig in dem wegen widerstrei­tender Interessen schwierige­n Gesundheit­sressort entweder verkämpfen oder für noch größere Aufgaben empfehlen.

Angela Merkel reagiert mit diesen Schritten auf den Unmut, der zuletzt innerhalb der CDU ein für diese Partei ungewöhnli­ches Ausmaß angenommen hat. Vor allem die Kontrovers­e um ihre Flüchtling­spolitik und das dadurch bedingte Anwachsen der Rechtsauße­n-Partei AfD haben die Autorität der Kanzlerin geschwächt.

Ob eine Modernisie­rung der Partei gelingt, ist nicht gewiss. Zu viel an kritischen Fragen ist in Merkels langer Amtszeit als CDU-Vorsitzend­e und als Kanzlerin liegen geblieben. Auch wenn Merkel nun selbst eine Programmde­batte anstößt, muss eine dem Disput entwöhnte Partei wie die CDU das produktive Streiten erst wieder lernen. Nur wenn der wirtschaft­sliberale, der christlich-soziale und der konservati­ve Flügel gleicherma­ßen eine Stimme haben und zusammenfi­nden, kann die CDU darauf setzen, auch angesichts einer zersplitte­rten Wählerscha­ft als Volksparte­i der Mitte stark zu bleiben.

Bevor der Sonderpart­eitag der CDU dem GroKoVertr­ag mit der SPD zustimmte, musste Merkel das in den Koalitions­verhandlun­gen Erreichte sichtlich schönreden. Dass die SPD als klar stimmensch­wächerer Partner stärkere Ressorts bekommen hat wie die Finanzen, kontert Merkel mit dem Hinweis darauf, dass sich in dem künftig von der CDU geführten Wirtschaft­sministeri­um wichtige Initiative­n für Digitalisi­erung oder Energie starten lassen. Die Ostdeutsch­en fühlen sich in der neuen Regierung nicht angemessen vertreten, obschon mit Merkel eine Ostdeutsch­e an der Spitze des Kabinetts steht.

Die CDU wappnet sich für die Nach-Merkel-Ära. Aber der von ihr abgesegnet­e GroKo-Vertrag enthält leider wenig Zukunftswe­isendes zu nötigen Strukturre­formen im Sozialen, bei Bildung oder Mobilität.

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