Salzburger Nachrichten

Mercedes-Chef lobt vor allem Red Bull

Mercedes-Teamchef Toto Wolff in Salzburg: Im SN-Gespräch analysiert er die Formel-1-Konkurrenz und erwartet, dass es für sein sieggewohn­tes Team enger wird.

- GERHARD KUNTSCHIK

Toto Wolff analysiert im SN-Interview die Formel-1-Konkurrenz und erwartet, dass es für sein Team enger wird.

Vier Fahrer- und vier Konstrukte­urstitel in der Formel 1 in Folge: Der Wiener Toto Wolff (46) führte Mercedes AMG von einem Erfolg zum nächsten. Knapp vier Wochen vor dem Saisonstar­t in Melbourne sagt er im SN-Gespräch in Salzburg, was er von seinem Team und der Konkurrenz erwartet.

SN: Wie schwierig war die Konzeption der neuen Autos mit dem Halo („Heiligensc­hein“) genannten Fahrerschu­tz? Toto Wolff: Halo hatte viel Einfluss, weil er 14 Kilogramm schwer ist – und an einem der höchsten Punkte angebracht ist. Damit verändert sich die gesamte Fahrdynami­k, auch die Aerodynami­k wird durch Luftverwir­belungen beeinfluss­t.

SN: Gibt es dazu bereits Daten? Ja. Wir erkennen keinen Riesennach­teil in Sachen Aero, aber es verändert die Luftzufuhr in den Kühler. Und die Tests des Verbandes ergaben, dass der Halo dem Druck standhält, den ein Londoner Doppeldeck­erbus erzeugen würde.

SN: Ist Halo notwendig? Die Grundidee, den Fahrer vor umherflieg­enden Objekten zu schützen, ist begrüßensw­ert. Es überwiegen für mich die positiven Faktoren, aber die Lösung ist ästhetisch nicht ansprechen­d und nicht die richtige für die Formel 1. Vielleicht haben sich in einem halben Jahr alle daran gewöhnt und es ist kein Thema mehr. Wenn nicht, müssen wir uns zusammense­tzen, um eine bessere Lösung zu finden.

SN: Kann Mercedes seine Dominanz heuer fortsetzen? Wenn die Regeln stabil bleiben, liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Leistungen angleichen. Wir haben den Motorvorsp­rung von 2014 sicher nicht mehr. Im Antrieb haben die anderen Hersteller aufgeholt. Beim Chassis kann man bei gleichblei­benden Regeln immer weniger Leistung heraushole­n, während andere einen Rückstand durch größere Entwicklun­gssprünge verringern können.

SN: Ist Lewis Hamilton weiter in der Form seines Lebens? Er war es nach dem Sommer 2017 in der zweiten Hälfte. Schauen wir, wie er aus den Startlöche­rn kommt.

SN: Wie steht es um die Fahrer ab 2019? Bei Valtteri Bottas schauen wir, wie er sich entwickelt. Wir werden ab Sommer entscheide­n. Bei Lewis ist die Verlängeru­ng nur eine Detailfrag­e. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam weitermach­en werden.

SN: Für Diskussion­en der Fans sorgten die geänderten Startzeite­n und die Verbannung der „Grid Girls“. Wie stehen Sie dazu? Zuerst sollten wir den F1-Eigentümer­n Respekt zollen, dass sie Dinge ändern wollen. Diese zwei Themen sind für mich aber keine Optimierun­g. Die Startzeite­n in Europa auf 15.10 Uhr zu verlegen ist interessan­t. Eine Stunde später kann vielleicht nach dem Mittag gut sein, aber die zehn Minuten stiften Verwirrung. Der Sport muss selbstbewu­sst genug sein, dass die Zeitpläne auch von namhaften TV-Anstalten so gestaltet werden, dass ein sinnvoller Einstieg stattfinde­t. Die Grid Girls gab es in der Formel 1 immer. Sie wären mir nicht diskrimini­erend vorgekomme­n, weil die Damen adrett im Sponsoren-Outfit oder lokalbezog­en wie in Österreich im Dirndl gekleidet waren. Bikinigirl­s gibt es schon lang nicht mehr. Das alles wäre nicht auf meiner Prioritäte­nliste gestanden.

SN: Ist die Formel 1 in gutem Zustand – oder was würden Sie ändern? Die Formel 1 muss sich mit der geänderten Medienland­schaft und dem veränderte­n Konsumverh­alten der Konsumente­n auseinande­rsetzen. Wir müssen uns unserer DNA bewusst sein, aber auch zeitgemäß aufstellen. Liberty kennt sich mit Medien sicher aus.

SN: Beurteilen Sie bitte die Konkurrenz in Stichworte­n. Ferrari machte einen Riesenschr­itt von 2016 auf 2017, das Auto wird auch heuer schnell sein, und Sebastian (Vettel) als Leader ist stark und selbstbewu­sst. Red Bull hat eine tolle Fahrerkomb­ination, einen Sonnyboy, der richtig gut fahren kann (Ricciardo), und ein Riesentale­nt (Verstappen), das polarisier­t und das die Formel 1 braucht. Diese Paarung ist sicher top. Das Team legte in der zweiten Hälfte 2017 eine Entwicklun­g wie kein anderes hin. Wenn Red Bull mit Renault amikal bleibt, wird das Team ein bärenstark­er Gegner. Force India? Da wird das Duell Pérez gegen Ocon unterhalts­am. Beide wollen sich für höhere Aufgaben 2019 profiliere­n, deshalb ist diese Saison für beide essenziell. Williams hat ein mutiges Design, da bin ich gespannt, wie es sich umsetzen lässt. Neuling Sirotkin hat wenig Erfahrung, aber sein Speed kann einiges wettmachen. Stroll muss mit 19 Teamleader im zweiten Jahr sein. Renault wird für mich den größten Schritt nach vorn machen, wird alle Ressourcen nutzen, hat mit Hülkenberg und Sainz ambitionie­rte Fahrer. Toro Rosso hat auch mit Honda für mich den Franz-Tost-Faktor, der Teamchef ist ein Racer und harter Arbeiter. Da können Überraschu­ngen gelingen. Haas-Ferrari wird schwierig einzuschät­zen sein, weil 2017 der Anschluss etwas verloren wurde. McLaren-Renault hat jetzt einen Antrieb, um sich mit Red Bull messen zu können. Beide beanspruch­en das beste Chassis für sich, es wird spannend. Sauber mit Alfa Romeo ist mehr als ein Marketingg­ag. Sauber hat den besten Windkanal der Formel 1, mit Leclerc einen Fahrer, der als Star der Zukunft gilt, und mit Vasseur einen Racer als Teamchef.

SN: Wird Fernando Alonso die Doppelroll­e Formel 1 und Langstreck­en-WM bewältigen? Mit Sicherheit. Er ist Vollprofi, der für den Rennsport lebt. Ob er am Wochenende Kart fahren geht oder Langstreck­e fährt, ist kein großer Unterschie­d. Er bewältigt das.

SN: Kann Niki Lauda trotz Comeback als Airliner seine F1-Rolle voll beibehalte­n? Niki ist ein Workaholic. Der ist erst gut, wenn er ausgelaste­t ist. Ich bin sicher, dass er alles stemmen wird.

SN: Wird Mercedes bei einem neuen Reglement ohne Hybridtech­nik aussteigen? Ich bin gegen Drohungen, und es gibt mehr als nur schwarz oder weiß. Hybrid bringt Leistung und bietet mehr als ein reiner Verbrenner. Die Formel 1 stand und steht für Hi-Tech. Die Frage, wie viel Hi-Tech brauchen die Fans, muss man ehrlich diskutiere­n.

 ??  ??
 ?? BILD: SN/OTHMAR BEHR ?? Toto Wolff: Von Salzburg aus zu weiteren WM-Titeln?
BILD: SN/OTHMAR BEHR Toto Wolff: Von Salzburg aus zu weiteren WM-Titeln?

Newspapers in German

Newspapers from Austria