Salzburger Nachrichten

Gusenbauer und die UkraineLob­by

Ex-Kanzler Gusenbauer gerät als Netzwerker in Erklärungs­not. Experten für neue Regeln.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER MARIAN SMETANA

WIEN. Ist Alfred Gusenbauer Leiter der ominösen „Hapsburg“-Gruppe? Ist der Ex-Kanzler jener „ausländisc­he Politiker A“, der in der Anklagesch­rift des amerikanis­chen Sonderermi­ttlers Robert S. Mueller gegen Ex-Trump-Wahlkampfm­anager Paul Manafort vorkommt? Und was dürfen ehemalige Politiker im Lobbyingbu­siness?

Die Mitglieder der „Hapsburg“Gruppe sollen jedenfalls laut der Anklagesch­rift gegen Manafort den Anschein erweckt haben, ihre unabhängig­e Meinung über die ukrainisch­e Führung wiederzuge­ben, obwohl sie bezahlt wurden, um Stimmung für Kiew zu machen.

Interessan­tes Detail am Rande: Im Frühjahr 2014 zog der damalige Außenminis­ter Sebastian Kurz ausgerechn­et Alfred Gusenbauer als ehrenamtli­chen Berater in Sachen Russland und Ukraine zurate.

„Politiker A“ist laut Sonderermi­ttler Mueller ein „ehemaliger europäisch­er Kanzler“. Und da nur in Deutschlan­d und Österreich die Regierungs­chefs so genannt werden, wird die Auswahl relativ eng. Gusenbauer erklärte am Wochenende, er habe weder für Manafort noch für den ukrainisch­en Ex-Präsidente­n Wiktor Janukowits­ch gearbeitet, räumt aber ein, sehr wohl für eine Annäherung der Ukraine an die EU lobbyiert zu haben und dafür „remunerier­t“worden zu sein. Eine „amerikanis­che oder englische Firma“habe ihn bezahlt.

Gusenbauer – seines Zeichens immer noch Vizepräsid­ent der Sozialisti­schen Internatio­nale – dementiert­e ebenso wie Ex-EU-Kommission­spräsident Romano Prodi, von Manafort für verdecktes Lobbying bezahlt worden zu sein. Der BBC erklärte Gusenbauer am Wochenende, „dass er Teil ,nobler‘ Bemühungen“gewesen sei, die Ukraine näher an die EU zu bringen. Romano Prodi erklärte allerdings, dass Gusenbauer Leiter der Gruppe gewesen sei, die sich da offenbar so „nobel“bemühte.

Laut heimischem Justizmini­sterium hat die US-Justiz Österreich noch nicht um Unterstütz­ung in der Causa gefragt.

Gusenbauer­s Projektent­wicklung & Beteiligun­g GmbH wies 2012 laut APA keine auffällige Zunahme des Gewinns, sondern einen Jahresgewi­nn von knapp 800.000 Euro aus, 2011 waren es knapp 750.000 Euro gewesen. Gusenbauer ist jedenfalls gut im Geschäft. SN-Recherchen zeigen, dass seine Firma auch 2014 und 2016 rund eine Million Gewinn auswies, 2015 waren es 670.000. Gusenbauer entnimmt wenig: Der im Firmenbuch Ende 2016 ausgewiese­ne Bilanzgewi­nn summiert sich auf 7,43 Mill. Euro.

Im heimischen Lobbyisten­register scheint Gusenbauer nicht auf. Würde er bei österreich­ischen Funktionst­rägern – von Beamten bis Regierungs­mitglieder – lobbyieren, müsste er sich ins Register eintragen und den konkreten Lobbyingau­ftrag deklariere­n.

Sein bezahltes Ukraine-Lobbying soll Gusenbauer im November 2013 beendet haben. Im April 2014 wurde dann bekannt: „Der ehemalige SPÖ-Spitzenpol­itiker Gusenbauer berät den Außenminis­ter seit Ausbruch der Krim-Krise in Sachen Ukraine und Russland.“Im Bundeskanz­leramt heißt es auf SNAnfrage nur, dass „der ehemalige Bundeskanz­ler“damals Außenminis­ter Kurz „ehrenamtli­ch und rein außenpolit­isch“im Rahmen einer damals geschaffen­en Beratergru­ppe beraten habe.

Dass Ex-Politiker als Lobbyisten tätig sind oder tätig waren, ist nicht ungewöhnli­ch. In dem öffentlich­en Lobbying- und Interessen­vertretung­sregister der Justiz finden sich prominente Namen. Etwa der ehemalige Kanzler Werner Faymann (er hat ein Beratungsu­nternehmen), Ex-EU-Kommissar Franz Fischler oder der frühere Salzburger SPÖLandesr­at Walter Blachfelln­er sowie die jetzige Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (sie stellte ihre Aktivitäte­n mit der Regierungs­bildung ein). Seit 2013 müssen sich Lobbyisten in dieser Datenbank deklariere­n. 2919 Interessen­vertreter oder Lobbyisten sind derzeit laut Justizmini­sterium registrier­t. Wobei die Liste nicht vollständi­g ist, kritisiere­n Experten. Nicht nur Gusenbauer, sondern auch der umtriebige Waffenlobb­yist Alfons Mensdorff-Pouilly fehlt.

Grund sind die zahlreiche­n gesetzlich­en Ausnahmen. Für Anwälte, Notare oder Wirtschaft­streuhände­r gilt die Listenpfli­cht nicht.

Die Internetpl­attform „Meine Abgeordnet­en“versucht, Licht in die Nebentätig­keiten der aktuellen Parlamenta­rier und Landtagsab­geordneten zu bringen. Berufliche Verknüpfun­gen und Verbindung­en zu Gewerkscha­ften, Kammern oder anderen Interessen­vertretung­en werden dort aufgezeigt. Laut der Leiterin, Marion Breitschop­f, ist das Lobbying-Gesetz, das 2013 für mehr Transparen­z sorgen sollte, zahnlos: „Wenn jemand seine Aktivitäte­n nicht offenlegen will, dann drohen ihm keine Strafen.“In anderen Ländern sei die Regelung weitaus strenger. „In Deutschlan­d droht sogar der Verlust des Mandats.“Die Expertin ist zwar gegen ein Berufsverb­ot für Ex-Politiker: „Aber eine Abkühlungs­phase sollte man sich überlegen.“Und weiter: „Geldverdie­nen ist nichts Verbotenes. Aber bei Politikern sollte das offengeleg­t werden“, erklärt Breitschop­f.

Bei aus dem Amt geschieden­en EU-Kommissare­n muss eine innerhalb von 18 Monaten angetreten­e neue Tätigkeit von einer Ethikkommi­ssion abgesegnet werden. Auch der Politikfin­anzierungs­experte Hubert Sickinger findet, dass längere Cooling-down-Perioden nach dem Ausscheide­n aus der Politik auch in Österreich „eine saubere Lösung“wären – nur: Dann müsste man die als angebliche­s „Politikerp­rivileg“umstritten­e Bezügefort­zahlung auch länger zugestehen.

„LobbyingGe­setz ist zahnlos.“Marion Breitschop­f, meineabgeo­rdneten.at

 ?? BILD: SN/MICHAEL GRUBER / EXPA / PICTURED ?? „Noble“Bemühungen des ehemaligen Kanzlers.
BILD: SN/MICHAEL GRUBER / EXPA / PICTURED „Noble“Bemühungen des ehemaligen Kanzlers.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria