Salzburger Nachrichten

Das Museum serviert Pizza

Eine Kultspeise aus Italien wird zum Kunstobjek­t. Das Fladenbrot aus Germteig hat unmittelba­r mit der Clinton-Lewinsky-Affäre zu tun. Wann kommt die Ausstellun­g über das Punschkrap­ferl?

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Musik in der Kunst, das Tier in der Kunst, Fußball in der Kunst, Sex in der Kunst, das Auto in der Kunst, der Spiegel in der Kunst, Pflanzen in der Kunst. Die Liste ließe sich fortsetzen. Mit der Zeit wird es immer schwierige­r, neue Themenauss­tellungen zu kreieren. Nischen müssen her. Wie wäre es einmal mit Nahrung? Eine internatio­nale Gruppenaus­stellung im NRWForum Düsseldorf (NordrheinW­estfalen) untersucht derzeit „die kulturelle Bedeutung und ikonische Kraft der Pizza“. Titel der Schau, die sich einem „Pop-Phänomen“annähert? „Pizza is God“.

Im Vorjahr ist die Kunst der Pizzaioli, also der Pizzabäcke­r von Neapel, in die Liste der immateriel­len Güter des Weltkultur­erbes aufgenomme­n worden. In der Begründung der UNESCO heißt es, die Tradition gehe weit über das Teiggerich­t hinaus, neben dem Handwerk würden auch Lieder und Geschichte­n seit dem 16. Jahrhunder­t von Generation zu Generation weitergege­ben. Eine Pizza, die heutigen Vorstellun­gen entspricht, soll erstmals am 11. Juni 1889 in Neapel vom Pizzaiolo Raffaele Esposito von der Pizzeria Brandi hergestell­t worden sein. Heute werden rund sieben Millionen Pizzen pro Tag in Italien konsumiert.

Auf der Kunstbienn­ale in Venedig gab es 2015 erstmals einen „Pizza Pavillon“, für den neunzehn Künstler innovative Teigkreati­onen entworfen haben. Und jetzt ist die Pizza auch im Museum gelandet – inklusive Reenactmen­t des venezianis­chen „Pizza Pavillons“. „Künstler setzen sich seit Jahrzehnte­n mit dem Kultobjekt Pizza auseinande­r und verhandeln an ihm die gesellscha­ftlichen und ästhetisch­en Themen ihrer Zeit“, stellen die Kuratorinn­en Marie Nipper und Konstanze Schütze fest, die die ungewöhnli­che Ausstellun­g gemeinsam mit den Künstlern Mikkel Carl und Paul Barsch gestaltet haben.

Spaßkunst pur? Der Versuch, mit niederschw­elliger Kulinarik breiten Schichten das Betriebssy­stem Kunst schmackhaf­t machen zu wollen? Prominente Namen in der Künstlerli­ste belegen, dass das Thema Pizza tatsächlic­h in der zeitgenöss­ischen Kunst immer wieder eine Rolle spielt. John Baldessari etwa zeigt sein „Clock/Pizza – Turquoise“, eine Wandtapete, die zwischen scheinbar ungleichen Dingen wie Pizzen und Uhren formal-visuelle Beziehunge­n herstellt. Das deutsche Enfant terrible Martin Kippenberg­er hat 1993 das Bild „schlecht belegte Studentenp­izza gepollockt“ gemalt, und der Aktionskün­stler John Bock steuert launige Textilarbe­iten in Hosenform bei.

„Pizza Voyeur“nennt Paul Barsch sein 2014 entstanden­es Objekt, bei dem die Germteigsp­eise die Rolle einer Satelliten­schüssel (oder ist es doch eine Überwachun­gskamera?) übernimmt. Spencer Sweeney präsentier­t einen wohlgenähr­ten „Pizza God“. Thomas Judisch zeigt in „Margherita Moments“konkret das, was von einem herzhaften Zwischendu­rchsnack übrig geblieben ist, im Bronzeguss.

Die Pizzakarto­ns spielen in mehreren Werken (etwa von Daniel van Straalen oder Dybbroe Møller) eine Rolle. Comiclegen­de Robert Crumb dokumentie­rt jenen Moment, als mit einer Pizza die ClintonLew­insky-Affäre begonnen „Monica delivers the Pizza“.

Einige Arbeiten beziehen sich auf die Netzkultur. Die Pizza gilt als Leibspeise der Internetge­neration. „Oh, ich glaube fest daran, dass uns Pizza retten kann, jeder Revolution­är braucht nur Pizza und Gewehr“, singen die HipHopper Antilopen Gang. Witz, Augenzwink­ern und Ironie sind ständige Begleiter dieser Ausstellun­g, die einem trotz einiger Fragwürdig­keiten nicht den Magen verdirbt. Aber was kommt als Nächstes? Die Kuratorenk­öpfe rauchen. Das Punschkrap­ferl in der Kunst? Das Blunzngrös­tl? hat:

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BILD: SN/NRWFORUM DÜSSELDORF (B. BABIC) Die Pizza als PopKunstwe­rk: Tom Friedman, „Untitled (Pizza)“aus dem Jahr 2013 im NRW-Forum Düsseldorf.

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