Salzburger Nachrichten

Wie viele Abtreibung­en werden in Österreich vorgenomme­n?

Schwangers­chaftsabbr­üche werden in den meisten Ländern Europas statistisc­h erfasst. Warum das hierzuland­e nach wie vor kein Thema ist.

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WIEN. In Deutschlan­d werden jährlich rund 100.000 Abtreibung­en vorgenomme­n. In Frankreich sind es knapp 220.000. Was Österreich betrifft, so verlässt man sich nach wie vor auf grobe Schätzunge­n, die von 20.000 bis 40.000 Schwangers­chaftsabbr­üchen pro Jahr ausgehen. Die Bürgerinit­iative „Fakten helfen“der „aktion leben“hat mittlerwei­le 54.000 Unterschri­ften gesammelt. Sie unterstütz­en die Forderung nach einer Abtreibung­sstatistik. Heute nimmt sich das Parlament der Bürgerinit­iative an.

„Wir brauchen Zahlen, damit wir wissen, wo wir stehen“, sagt Martina Kronthaler, Generalsek­retärin der „aktion leben“. Mit der Fristenreg­elung habe das absolut nichts zu tun, betont Kronthaler. „Im Moment wissen wir gar nichts. Etwa in welchem Alter die Frauen abtreiben, bis zu welcher Woche, ob der Beruf oder auch die Behinderun­g des Kindes einen Einfluss auf die Entscheidu­ng haben.“Der Aufwand für die Ärzte wäre minimal. Und für die Frauen würde sich nichts ändern. „Es geht nur darum, dass die Basisdaten, die ohnehin erhoben werden müssen, eingegeben werden“, erklärt Kronthaler.

Zahlen allein nützen nicht viel, darüber herrscht Einigkeit unter Experten. Deshalb sollte der Erfassung von Abtreibung­en, die in Österreich pro Eingriff zwischen 350 und 800 Euro kosten, regelmäßig­e Forschung folgen – auf freiwillig­er Basis. Ähnlich wie in Deutschlan­d. Dort existieren neben einer jährlichen Abtreibung­sstatistik mehrere groß angelegte wissenscha­ftliche Studien, erstellt im Auftrag der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung. Ihr Auftrag ist es, Konzepte zur Verhütung zu erstellen. Davon hält Elke Graf, Leiterin des „pro:woman-Ambulatori­ums“am Wiener Fleischmar­kt, nichts: „Das Argument, dass man besser beraten kann, wenn man die Gründe kennt, ist sehr fadenschei­nig.“Graf befürchtet, dass eine Abtreibung­sstatistik die Selbstbest­immung der Frauen „massiv“einschränk­t. Graf vermutet, die Initiative würde dazu übergehen, die unterschie­dlichen Gründe, die Frauen nennen werden, anzuzweife­ln. „Am Ende des Tages werden sie einer Frau – selbstvers­tändlich gut gemeint – mitteilen, dass dieser oder jener Grund doch nicht triftig genug ist, um einen Abbruch zu rechtferti­gen.“

Daten erhebt das Ambulatori­um am Fleischmar­kt schon: 65 Prozent der Frauen, die dort einen Schwangers­chaftsabbr­uch durchführe­n lassen, sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, 7,5 Prozent sind jünger als 20 Jahre, 40 Prozent sind verheirate­t oder leben in einer Partnersch­aft; 56 Prozent haben bereits ein oder mehrere Kinder; für 43 Prozent war es nicht der erste Schwangers­chaftsabbr­uch; 37 Prozent verhüteten vor der Abtreibung nicht. „Aber wir fragen niemals nach dem Warum“, betont Graf.

Wolfgang Mazal, Leiter des Familienfo­rschungsin­stituts, spricht sich für die Abtreibung­sstatistik aus. „Die Erfassung sozioökono­mischer Grunddaten wie Alter der Eltern, Zahl der geborenen Kinder, Zahl allfällige­r Abtreibung­en, Einkommens­situation und eventuell Verhütungs­verhalten müsste anonym und in schonender Weise erfolgen. In vielen anderen europäisch­en Ländern geschieht das bereits.“Die Befürchtun­gen von Elke Graf teilt Mazal nicht: „Auch in anderen statistisc­hen Kontexten ist es eine Frage der Profession­alität der Erhebung, dass die Daten nicht hinterfrag­t werden. Ich habe keinen Zweifel, dass diese Profession­alität in Österreich gegeben ist.“

Abtreibung­en kosten bis zu 800 Euro

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BILD: SN/SYDA PRODUCTION­S - FOTOLIA Die Gründe, warum es zu einer Abtreibung kommt, sind vielfältig.

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