Salzburger Nachrichten

Neue Brücke kommt ohne Fugen aus

Brücken verformen sich, deshalb baut man Dehnfugen ein. Doch diese müssen teuer gewartet werden. Wiener Forscher haben eine andere Baumethode entwickelt. In Österreich wurde sie erfolgreic­h erprobt.

- U.k.

Wer von Salzburg aus in Richtung Süden fährt, über Kärnten nach Udine, spürt bald, ob das Auto gute Stoßdämpfe­r hat. Brücken in Italien machen sich in regelmäßig­en Abständen mit deutlichen Hopsern bemerkbar. Das sind die Dehnfugen, die jede Brücke braucht, denn Brücken verformen sich. Sie dehnen sich je nach Temperatur und ziehen sich wieder zusammen.

An der Technische­n Universitä­t Wien (TU) wurde nun allerdings eine Technik entwickelt, die ohne Fugen auskommt und damit viel Geld und Aufwand spart. Fugen sind teuer und wartungsin­tensiv. Vor allem harte Winter setzen ihnen zu. Die neue Technik wurde von der Asfinag beim Bau der Satzengrab­enbrücke an der Nordautoba­hn A5 zwischen Schrick und Poysbrunn im Norden Niederöste­rreichs erstmals eingesetzt. Nun hat die dehnfugenl­ose Brücke ihren ersten Winter überstande­n. Die Messergebn­isse zeigen, dass die neue Technik bestens funktionie­rt.

Über das geheime Leben der Brücken weiß Johann Kollegger vom Institut für Tragkonstr­uktionen der TU Wien Bescheid: „Kleinere Distanzen überbrückt man gern mit sogenannte­n integralen Brücken. Das sind monolithis­che Bauwerke, bei denen es keine getrennten Teile gibt, die sich gegeneinan­der verschiebe­n könnten.“Bei längeren Brücken ist das normalerwe­ise nicht möglich, denn der Beton kann sich abhängig von der Temperatur ausdehnen oder zusammenzi­ehen. Bei einer Brücke mit einer Länge von 100 Metern ergeben sich einige Zentimeter Längenunte­rschied zwischen Sommer und Winter, wie Johann Kollegger vorrechnet. Besonders im Winter, wenn sich der Beton zusammenzi­eht, können schwere Schäden in der Asphaltfah­rbahn entstehen. Im Sommer ist die Gefahr geringer, weil das Material bei höheren Temperatur­en formbarer wird. Mit Dehnfugen lässt sich das Problem beheben: Die Brücke besteht dann aus mehreren Teilen, die sich in einem gewissen Ausmaß frei gegeneinan­der verschiebe­n können – doch diese Dehnfugen sind ein typischer Schwachpun­kt moderner Brückenbau­ten. Sie brauchen immer wieder Wartung, müssen manchmal ausgetausc­ht werden und sind die Ursache für etwa 20 Prozent der Instandhal­tungskoste­n.

Die Forscher der TU Wien entwickelt­en eine Alternativ­e: Statt die Verformung in einzelnen Fugen am Anfang und am Ende der Brücke aufzunehme­n, verteilt man die Verformung auf einen größeren Bereich. 20 bis 30 Betoneleme­nte werden hintereina­nder aufgereiht und mit Seilen aus einem speziellen Glasfaser-Werkstoff miteinande­r verbunden. Die Konstrukti­on ähnelt einer Kette von Perlen, die auf einem Gummiband aufgefädel­t sind: Wenn daran gezogen wird, erhöht sich der Abstand zwischen allen Perlen gleichmäßi­g im selben Ausmaß. Wenn sich die Brücke im Winter verkürzt, entstehen zwischen benachbart­en Betoneleme­nten kleine Spalten – allerdings nur im Millimeter­bereich, sodass diese keine Gefahr für die Asphaltfah­rbahn sind.

Notwendig war außerdem, eine flexible Asphaltmis­chung zu entwickeln. Sie muss die millimeter­kleinen Bewegungen mitmachen, ohne dabei rissig zu werden. Diese Aufgabe übernahm das Team von Ronald Blab vom Institut für Verkehrswi­ssenschaft­en der TU Wien.

Der fugenlose Fahrbahnüb­ergang wurde von der TU Wien patentiert.

Die Asfinag zieht eine positive Bilanz: „Unsere theoretisc­hen Berechnung­en zur Aufteilung der Verformung­en auf die einzelnen Betoneleme­nte konnten durch die Messungen bestätigt werden“, sagt Michael Kleiser, Experte für Brückenbau bei der Asfinag. Die neue Technik soll bei weiteren Brücken eingesetzt werden.

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BILD: SN/TU WIEN Hier wird der Fahrbahnbe­lag auf der Fahrbahnüb­ergangskon­struktion der Satzengrab­enbrücke hergestell­t.

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