Salzburger Nachrichten

Der Kampf um den ORF hat erst begonnen

Kontrollie­rte Informatio­nen, Attacken gegen Journalist­en und ein umgefärbte­r ORF. Die Regierung bastelt sich ihre eigene Öffentlich­keit.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Was die Informatio­nspolitik der neuen Bundesregi­erung betrifft, gibt es zwischen ÖVP und FPÖ eine klare Arbeitstei­lung. Die ÖVP beziehungs­weise das ihr unterstell­te Kanzleramt steuert und kontrollie­rt den Informatio­nsfluss an die Öffentlich­keit in einem Ausmaß, das bisher unbekannt war. Die FPÖ hingegen hat den Part übernommen, den ORF durch tägliche Angriffe sturmreif zu schießen. Die gemeinsame­n Anstrengun­gen der beiden Regierungs­parteien zielen darauf ab, ein neues, für die Regierung günstiges Meinungsbi­ld zu schaffen.

Die Steuerung und Kontrolle des Informatio­nsflusses sieht beispielsw­eise so aus: Zum Mediengesp­räch am Dienstag dieser Woche, bei dem Bundeskanz­ler und Vizekanzle­r verkündete­n, 2019 ein ausgeglich­enes Budget erreichen zu wollen, waren nur der ORF und die Austria Presse Agentur eingeladen. Der ORF sollte für die Bilder sorgen, die APA für die Agenturmel­dungen. Andere Journalist­en, die vielleicht lästige Fragen gestellt hätten, waren nicht zugelassen. „Message Control“nennt dies der Fachmann. Das Kanzleramt gibt ein Wochenthem­a vor und will dieses möglichst ungefilter­t in der Öffentlich­keit platzieren. Journalist­ische Recherchen und Beiträge zu anderen Themen sind nicht nur unerwünsch­t, sie werden – und hier tritt gemäß koalitionä­rer Arbeitstei­lung die FPÖ auf den Plan – gern auch als Fake News diffamiert. Dies vor allem dann, wenn es der ORF ist, der sich unabhängig­e Recherchen erlaubt: Auf die Zeitungen und die außerhalb des staatliche­n Einflusses befindlich­en privaten Rundfunk- und TV-Stationen hat die FPÖ keinen Zugriff, und das ist gut so.

Vor diesem Hintergrun­d bestellte die Koalition nun jene neun ORF-Stiftungsr­äte, deren Ernennung der Bundesregi­erung obliegt. Wie nicht anders zu erwarten, wurden die bisherigen vier roten Stiftungsr­äte gefeuert und durch blaue ersetzt. Das ist nach einem Regierungs­wechsel ein normaler Vorgang und als solcher zur Kenntnis zu nehmen. Was die neue Regierung mit dem ORF tatsächlic­h vorhat, wird sich erst in den nächsten Monaten weisen. Werden kritische Journalist­en à la Armin Wolf mundtot gemacht? Oder werden bloß deren Sendungen zu Tode reformiert? Wird die neue Regierung willfährig­e Parteigäng­er in ORF-Führungspo­sitionen hieven? Und Politkommi­ssare statt gestandene­r Journalist­en in die Chefredakt­ionen? Wird man dem ORF durch Abschaffun­g der GIS-Gebühr die Lebensgrun­dlage entziehen? Die Zivilgesel­lschaft wird gut daran tun, hier wachsam zu bleiben.

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