Salzburger Nachrichten

EU empört London mit Brexit-Vertrag

Nordirland macht den Verhandler­n in Brüssel und London weiterhin Kopfzerbre­chen. Die Zeit läuft ihnen davon. Denn Ende März 2019 verlassen die Briten die Europäisch­e Union.

- Michel Barnier, Brexit-Verhandler

Es sei „eine kritische Woche“für die Brexit-Verhandlun­gen, hat EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk dieser Tage getwittert. Tatsächlic­h könnte morgen, Freitag, klarer sein, wie sich Großbritan­nien seine Zukunft ohne die EU vorstellt. Dann wird die britische Premiermin­isterin Theresa May ihre nächste Rede halten, mit – so die Hoffnung in Brüssel – realistisc­hen Vorschläge­n zu den künftigen Beziehunge­n zwischen EU und Großbritan­nien nach Austritt und angepeilte­r Übergangsp­hase. Erste Meldungen über die Vorstellun­gen der britischen Regierung zu einem Kompromiss bezeichnet­e Tusk als „illusorisc­h“.

Zunächst muss allerdings bis Oktober der „Scheidungs­vertrag“fertig werden. Den ersten Textentwur­f mit 118 Seiten hat EU-Chefverhan­dler Michel Barnier am Mittwoch vorgelegt. „Er enthält keine Überraschu­ngen für unsere britischen Partner“, sagte Barnier, denn er setze nur die bis Dezember gefundenen Grundsatze­inigungen – zu den zentralen Punkten Finanzen, Bürgerrech­te und Nordirland – in juristisch verbindlic­he Sprache um.

Die schwierigs­te Frage ließen die Verhandler damals jedoch offen: wie nach dem Brexit Grenzkontr­ollen zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können – um kein Wiederauff­lammen des Konflikts zwischen dem Süden und dem Norden der Insel zu riskieren. Der Austrittsv­ertrag sieht drei Optionen vor: Eine Lösung im künftigen Abkommen – was aber bedeutet, dass die schwierigs­te Frage beim EU-Austritt Großbritan­niens Ende März 2019 noch ungeklärt ist. Eine „spezifisch­e Lösung“, wie das London angekündig­t, aber noch nicht vorgelegt hat. Als „Auffanglös­ung“schlägt die EU-Kommission einen „gemeinsame­n regulatori­schen Raum“mit Nordirland vor, womit Belfast aber de facto eine Grenze mit dem Rest des Vereinigte­n Königreich­s hätte. May hat umgehend erklärt, „kein britischer Premiermin­ister könnte dem jemals zustimmen“. Der Vorschlag „bedroht die verfassung­smäßige Integrität des Vereinigte­n Königreich­s“.

Strittig sind auch noch wichtige Details zur knapp zweijährig­en Übergangsf­rist, um die London gebeten hat. Großbritan­nien würde bis Ende 2020 Teil des Binnenmark­tes und der EU bleiben, dürfte aber nicht mehr mitbestimm­en. Brüssel fordert bis zu diesem Datum auch Personenfr­eizügigkei­t, London will dies nur bis zum Austritt garantiere­n. Die Verhandlun­gen über die Übergangsz­eit sollten in den kommenden Wochen abgeschlos­sen sein, damit die EU-Staats- und -Regierungs­chefs auf dem Gipfel Ende März zustimmen können. Zudem sollten sie Leitlinien für die Gespräche mit London über die künftigen Beziehunge­n beschließe­n.

Barnier forderte erneut eine Beschleuni­gung der Verhandlun­gen. „Wenn wir erfolgreic­h abschließe­n wollen, müssen wir uns beeilen.“Laut Zeitplan soll der Austrittsv­ertrag samt Übergangsp­eriode im Oktober fertig sein, damit genügend Zeit für die Ratifizier­ung durch EURat, EU-Parlament und Westminste­r bleibt. Denn, so Barnier: „In 13 Monaten ist Großbritan­nien nicht mehr EU-Mitglied.“

„In 13 Monaten ist das Vereinigte Königreich nicht mehr EU-Mitglied.“

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