Der Ruhm kann warten, Hauptsache, er kommt
Die Bekanntheit der Künstlerin Martha Jungwirth hält sich in Grenzen – das will die Albertina mit einer Schau ändern.
WIEN. Wenn also Klaus Albrecht Schröder, Strahlemann der österreichischen Museumslandschaft, sagt, er fühle sich schlecht, hat das was zu bedeuten. Das Geständnis betraf nicht etwa eine Grippe, sondern eine Art Entdeckerschwäche. Albertina-Direktor Schröder war nämlich Mitglied der Jury zum diesjährigen Oskar-Kokoschka-Preis. Er habe Martha Jungwirth vorgeschlagen und sei auf große Resonanz gestoßen. „Noch nie in den 20 Jahren, in denen ich dabei bin, hat eine Sitzung so kurz gedauert“, sagte Schröder und fügte hinzu: „Wenn man sagt, Martha Jungwirth ist mit Mitte 70 plötzlich ein Shootingstar, ist das vor allem als Kritik an all jenen zu verstehen, die da etwas übersehen haben“– zu welchen er sich wohl auch zu rechnen habe.
Allerdings ist es nie zu spät, denkt man etwa an Maria Lassnig oder Louise Bourgeois, an Henri Matisse, Wassily Kandinsky oder Emil Nolde – lauter Künstler, die erst spät zu angemessenen, verdienten Ehren kamen.
Der mit 20.000 Euro dotierte Kokoschka-Preis, der Martha Jungwirth von der Jury unter Vorsitz von Gerald Bast, Rektor der Akademie für angewandte Kunst, zugesprochen wurde, wird übrigens am Geburtstag des Künstlers überreicht – also heute, Donnerstag, 1. März. Die „Überschneidung“mit dem Ausstellungsbeginn in der Albertina ist eher zufällig. Dass Martha Jungwirth, der nun in der Albertina eine Retrospektive gewidmet ist, im fortgeschrittenen Alter aus dem Nichts daherkommt, stimmt natürlich nicht. Die 1940 in Wien geborene Künstlerin hatte bis 1963 an der Akademie für angewandte Kunst studiert, wo sie später – von 1967 bis 1977 – auch lehrte. Eine Gruppenausstellung „Wirklichkeiten“1968 in der Secession erregte Aufsehen, neben Jungwirth stellten da Franz Ringel, Peter Pongratz, Wolfgang Herzig, Robert Zeppel-Sperl und Kurt Kocherscheidt aus. Und natürlich war die Einladung, 1977 an der documenta 6 teilzunehmen, ebenfalls eine spezielle Würdigung.
An diese Zeit erinnert auch die von Antonia Hoerschelmann kuratierte Retrospektive, denn gezeigt wird auch Jungwirths Auseinandersetzung mit einem Geschirrspüler von der documenta: „Indesit“sei, sowohl als Bleistiftzeichnung als auch als Pastell, ein „Blick in die Eingeweide der Maschine“, sagt Schröder. Rund 50 Arbeiten sind zu sehen, die bis in die 1960er-Jahre zurückreichen, zu abstrakten Landschaftsaquarellen. Dem Papier und Packpapier als Malgrund blieb Jungwirth auch treu, als die Formate ab den 1980er-Jahren größer wurden und die Farben intensiver. Auf ausgedehnten Reisen, die Martha Jungwirth bis nach Griechenland oder Mexiko führten, entstanden ganze Werkzyklen. Um ihre Verehrung von Oskar Kokoschka oder Richard Gerstl machte Jungwirth nie ein Hehl bei der Setzung von Strichen und Farbflächen. Gerstls Doppelporträt der „Schwestern Fey“bekommt bei Jungwirth eine eigene Dynamik in der Farbverwendung.
Erstaunlich ist die Luftigkeit, die man bei einem Thema wie „Istanbul“nicht erwartet, noch dazu, weil vom Putsch inspiriert. Die malerische Kompositionsgabe von Jungwirth ist enorm eindrucksvoll. Ausstellung: