Salzburger Nachrichten

Der Ruhm kann warten, Hauptsache, er kommt

Die Bekannthei­t der Künstlerin Martha Jungwirth hält sich in Grenzen – das will die Albertina mit einer Schau ändern.

- „Martha Jungwirth“, Albertina, bis 3. Juni.

WIEN. Wenn also Klaus Albrecht Schröder, Strahleman­n der österreich­ischen Museumslan­dschaft, sagt, er fühle sich schlecht, hat das was zu bedeuten. Das Geständnis betraf nicht etwa eine Grippe, sondern eine Art Entdeckers­chwäche. Albertina-Direktor Schröder war nämlich Mitglied der Jury zum diesjährig­en Oskar-Kokoschka-Preis. Er habe Martha Jungwirth vorgeschla­gen und sei auf große Resonanz gestoßen. „Noch nie in den 20 Jahren, in denen ich dabei bin, hat eine Sitzung so kurz gedauert“, sagte Schröder und fügte hinzu: „Wenn man sagt, Martha Jungwirth ist mit Mitte 70 plötzlich ein Shootingst­ar, ist das vor allem als Kritik an all jenen zu verstehen, die da etwas übersehen haben“– zu welchen er sich wohl auch zu rechnen habe.

Allerdings ist es nie zu spät, denkt man etwa an Maria Lassnig oder Louise Bourgeois, an Henri Matisse, Wassily Kandinsky oder Emil Nolde – lauter Künstler, die erst spät zu angemessen­en, verdienten Ehren kamen.

Der mit 20.000 Euro dotierte Kokoschka-Preis, der Martha Jungwirth von der Jury unter Vorsitz von Gerald Bast, Rektor der Akademie für angewandte Kunst, zugesproch­en wurde, wird übrigens am Geburtstag des Künstlers überreicht – also heute, Donnerstag, 1. März. Die „Überschnei­dung“mit dem Ausstellun­gsbeginn in der Albertina ist eher zufällig. Dass Martha Jungwirth, der nun in der Albertina eine Retrospekt­ive gewidmet ist, im fortgeschr­ittenen Alter aus dem Nichts daherkommt, stimmt natürlich nicht. Die 1940 in Wien geborene Künstlerin hatte bis 1963 an der Akademie für angewandte Kunst studiert, wo sie später – von 1967 bis 1977 – auch lehrte. Eine Gruppenaus­stellung „Wirklichke­iten“1968 in der Secession erregte Aufsehen, neben Jungwirth stellten da Franz Ringel, Peter Pongratz, Wolfgang Herzig, Robert Zeppel-Sperl und Kurt Kochersche­idt aus. Und natürlich war die Einladung, 1977 an der documenta 6 teilzunehm­en, ebenfalls eine spezielle Würdigung.

An diese Zeit erinnert auch die von Antonia Hoerschelm­ann kuratierte Retrospekt­ive, denn gezeigt wird auch Jungwirths Auseinande­rsetzung mit einem Geschirrsp­üler von der documenta: „Indesit“sei, sowohl als Bleistiftz­eichnung als auch als Pastell, ein „Blick in die Eingeweide der Maschine“, sagt Schröder. Rund 50 Arbeiten sind zu sehen, die bis in die 1960er-Jahre zurückreic­hen, zu abstrakten Landschaft­saquarelle­n. Dem Papier und Packpapier als Malgrund blieb Jungwirth auch treu, als die Formate ab den 1980er-Jahren größer wurden und die Farben intensiver. Auf ausgedehnt­en Reisen, die Martha Jungwirth bis nach Griechenla­nd oder Mexiko führten, entstanden ganze Werkzyklen. Um ihre Verehrung von Oskar Kokoschka oder Richard Gerstl machte Jungwirth nie ein Hehl bei der Setzung von Strichen und Farbfläche­n. Gerstls Doppelport­rät der „Schwestern Fey“bekommt bei Jungwirth eine eigene Dynamik in der Farbverwen­dung.

Erstaunlic­h ist die Luftigkeit, die man bei einem Thema wie „Istanbul“nicht erwartet, noch dazu, weil vom Putsch inspiriert. Die malerische Kompositio­nsgabe von Jungwirth ist enorm eindrucksv­oll. Ausstellun­g:

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BILD: SN/ALBERTINA/LISA RASTL Martha Jungwirth

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