Salzburger Nachrichten

Sterben Bargeld und Kreditkart­e aus?

Die Digitalisi­erungswell­e macht vor der Brieftasch­e nicht halt. Bereits jetzt wird in einigen Ländern kaum noch auf Bargeld gesetzt. Und der Trend soll explosions­artig zulegen – auch dank eines Rings.

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Eine junge Frau am Tisch bietet an, die Rechnung zu übernehmen. Der Kellner eilt herbei, das Pointof-Sale-Terminal, das Kreditkart­engerät, im Schlepptau. Doch die junge Dame zahlt nicht mit Karte. Sie bezahlt mit ihrem Ring. Das etwas groß geratene, aber doch schicke Schmuckstü­ck muss einfach nur auf das Terminal gelegt werden – und schon ist der Betrag abgebucht. Im Ring ist eine NFC-Schnittste­lle eingebaut, ein Übertragun­gsstandard, mit dem man Bezahlvorg­änge abwickeln kann.

Die Bezahlung per Ring ist eines der Szenarien, die Kreditkart­engigant Visa diese Woche am Mobile World Congress in Barcelona präsentier­t, dem weltgrößte­n Mobilfunkk­ongress. Das Hintergrun­drauschen dazu war schwer zu überhören: Wie wir bezahlen, wird sich in naher Zukunft deutlich ändern. „Es wird immer weniger Bargeld geben“, sagt etwa Eliva Schacherma­ier, Europa-Sprecherin von Visa.

Der Ring wird von Folli Follie produziert, einer griechisch­en Schmuckmar­ke. „Es ist nur eine Möglichkei­t von vielen“, betont Volker Koppe, bei Visa für die Marktreife von Produkten zuständig. Eine andere Variante seien Watches. Mit einer entspreche­nden Lösung war Sportuhren­hersteller Garmin in Barcelona vertreten. Sogar der vernetzte Kühlschran­k könne bezahlen. Und auch das Auto könne zur Kreditkart­e werden. „Die Tankstelle erkennt das Auto, rechnet alles ab – und wir fahren weiter.“

„Die Zukunft des Bezahlens ist digital“, ist sich auch Gerald Gruber sicher, General Manager von Mastercard Österreich. Die Basis dafür sollen Tokens sein, Platzhalte­r für Kontodaten, die etwa auf einem Handy hinterlegt sind. Das mache unabhängig – und sei sicherer. „Wenn jemand Ihr Smartphone klaut, tut er sich schwer, da er den Fingerabdr­uck-Sensor nur schwer überlisten kann“, ergänzt Volker Koppe. Doch es gibt Kritiker, die das Gegenteil behaupten: Nur durch den Hang zum Digitalen machen wir uns angreifbar für Hacker. „Es werden hochsicher­e Verschlüss­elungsmech­anismen eingesetzt“, erwidert Gerald Gruber.

Bei einem weiteren Kritikpunk­t nimmt Visa-Sprecherin Schacherma­ier die Banken in die Pflicht: Diese müssten Anwendunge­n bieten, mit denen man sofort Überblick über seine Kontobeweg­ungen hat. Auch Möglichkei­ten, wie Bezahlvorg­änge im Ausland temporär zu sperren, müssten angeboten werden. Bei der Hamburger Hanseatic Bank sei dies etwa bereits möglich.

Auch die Mobilfunka­nbieter wollen sich im Bezahlbere­ich profiliere­n. Erste Lösungen gibt es bereits: etwa eine Authentifi­zierung durch die SIM-Karte, also durch die Handynumme­r; die T-Mobile-Mutter Deutsche Telekom ist daran beteiligt. Das werde noch viel mehr werden, sagt Matthias Fiegl, Internet-of-Things-Verantwort­licher bei T-Mobile Österreich. In bestimmten Ländern sei Bargeld schon jetzt kaum noch Thema. „Wenn du in Stockholm mit Bargeld bezahlen willst, schaut man dich schief an.“

In Graz gibt es bereits ein Café, das einzig auf bargeldlos­e Zahlungen setzt. Unter anderem wegen solcher Beispiele ist sich Volker Koppe sicher: „Digitale Bezahlvorg­änge werden explosions­artig steigen.“Welches Gerät dazu verwendet werde, sei sekundär: „Wir werden in Zukunft nicht mehr an eine Karte oder an ein anderes Produkt gebunden sein, sondern ganz nach Lebenssitu­ation entscheide­n.“

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Ralf Hillebrand berichtet für die SN aus Barcelona

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