Salzburger Nachrichten

Peters Gespür für Gulasch

Peter Horvath hat uns in klirrender Kälte verraten, wie man Kesselgula­sch kocht. Dieses Gericht ist wie das Leben: Wenn man regelmäßig umrührt, dann wird es besser.

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SALZBURG. Es ist eiskalt draußen und trotzdem ist uns warm. Das könnte an der ersten Anweisung bei der Zubereitun­g eines Kesselgula­schs liegen. Die lautet: Holz hacken und Feuer machen. Wir befinden uns im Gastgarten des Schachlwir­ts in der Salzburger Moosstraße. Unser Gastgeber heißt Peter Horvath. Ein waschechte­r Ungar, geboren in Budapest. „Die Mama kam aus Ostungarn, Papa aus Westungarn“, erzählt er. Der Wind pfeift eisig über die beschneite­n Felder und Peter schaut ganz gerührt in seinen Kessel, lächelt zufrieden und sagt: „Weißt du? Es ist schön einmal einfach nur sein Gulasch zu rühren.“

Es gibt ja die Legende, dass die Inuit Hunderte Wörter für Schnee haben. Die wurde längst widerlegt. In Wahrheit haben sie nur zwei. Da haben die Österreich­er mit Schnee, Firn, Bruch, Harsch und Sulz schon mehr. Trotzdem: Die Legende ist schön. Weil sie ja nur darauf aufmerksam machen soll, dass wir die Natur sorgfältig beobachten sollen. So betrachtet, müssen die Ungarn ihr Gulasch geradezu hysterisch verehren. Der Name kommt ja von Gulyás. So werden in Ungarn die Rinderhirt­en genannt, die dieses Gericht ersonnen haben.

Außerdem ist das Gulasch in Ungarn eine Gulaschsup­pe. Das Gulasch, wie wir es in Österreich kennen, heißt dort wiederum Pörkölt. Ein kleiner Auszug aus der Welt des Gulaschs: Vom Andrássy-Gulasch über das Esterházy-Gulasch und dem Szegediner-Gulasch bis zum Zigeunergu­lasch gibt es nichts, was es nicht gibt. Die meisten Zubereitun­gsarten hätten sich nämlich entwickelt, als Ungarn noch Großungarn gewesen sei, erklärt Peter. So kam es zu slowakisch­en, rumänische­n, kroatische­n und auch bosnischen Einflüssen. Auch von ihren damaligen Feinden, den Türken, haben die Ungarn viel übernommen. Jetzt gibt es eben Gulasch mit Lammfleisc­h, mit Haluska (gekochten Fleckerln), mit Debreziner­n als feines Rahmgulasc­h mit julienne geschnitte­nem Wurzelwerk sowieso.

Überhaupt scheint es so viele Zubereitun­gsarten von Gulasch wie Ungarn zu geben. Peter schmeckt sein Kesselgula­sch am besten, wenn er das gewürfelte Rindfleisc­h schon am Vorabend mit Rotwein und Gewürzen mariniert. Damit weicht er gravierend von der üblichen Zubereitun­g von Gulasch ab. Bei der wird das Fleisch zumeist mit den braun geschmorte­n Zwiebeln durchgebra­ten und dann mit Rinderbrüh­e abgelöscht.

„Die Temperatur ist jetzt perfekt“, sagt Peter. Die Frage, wie hoch denn die perfekte Temperatur bei der Zubereitun­g von Kesselgula­sch sei, führt uns in weiteres Mysterium. Peters Antwort erscheint uns nämlich etwas ungenau. Er verwendet etwa so viele unterschie­dliche Wörter, wie es Gulasche gibt. Er meint, die Hitze soll „angenehm“sein, wenn man sich unter „perfekter Hitze“nichts vorstellen kann. Er schlägt noch vor: „Heiß. Aber nicht zu heiß.“Wir sagen nur: „Hmmm …“Peter sagt: „Gut: Wärmer als warm, aber nicht ganz heiß.“Als er unsere verdutzten Gesichter sieht, wagt er einen letzten Versuch: „Schön heiß?“Allein vom Reden über ein Kesselgula­sch wird einem da bei arktischen Temperatur­en schon warm. Wir einigen uns schließlic­h darauf: „Man benötigt das richtige Gespür für Gulasch.“

In Ungarn könne man aber bei der Zubereitun­g eines Kesselgula­schs ohnehin nichts falsch machen, fährt Peter fort. „Das kocht man nur mit mehreren Freunden und deshalb natürlich auch gleichzeit­ig für mehrere Freunde.“Da gehe es eben um die Gemeinscha­ft, und darum, dass Gulasch vielleicht deshalb eines der wenigen Gerichte sei, bei denen das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“keine Gültigkeit habe.

Gelernt hat Peter sein Handwerk übrigens im Ausland. Nach der Matura in Budapest habe er sich urplötzlic­h in den Beruf des Kochs verliebt. Er ging zunächst nach London, wo er sich seine ersten Sporen in einem gehobenen Restaurant, das von einem Franzosen und einem Griechen geführt wurde, verdiente. Es folgten Stationen bei Mathias Dahlgren, der in Schweden vier Mal zum Koch des Jahres gekürt wurde. Auch bei bei der Luxemburge­rin Léa Linster und dem deutschen Drei-Sterne-Koch Dieter Müller habe er viel gelernt. Zum Schluss kochte er im Magazin, ehe er sich den Traum von der Selbststän­digkeit erfüllte. Mit Hauben oder Sternen wollte er nichts mehr zu tun haben. „Gute Gerichte schmecken ohne Firlefanz einfach besser“, ist er überzeugt. Wer heute in Salzburg ungarische k. u. k. Küche sucht, der ist im Schachlwir­t bestens aufgehoben. Peter hat ein Faible für alten Gerichte. Ein gutes Beispiel dafür sei Mákos Guba. Das sein ein köstliches Dessert, das sein Opa oft in der ursprüngli­chen Variante gekocht habe. „Da wird trockenes Weißbrot zerkleiner­t, mit Milch und Zucker aufgegosse­n, fünf Minuten gekocht und zum Schluss mit Mohn bestreut.“

Peter hat dieses Arme-Leute-Essen verfeinert. Er kocht 150 Milliliter Milch mit Vanille und etwas Zucker auf. Dann erhitzt er Butter und Zucker. Darin karamellis­iert er in kleine Stücke geschnitte­ne Brioche (aus etwa vier dicken Scheiben). Diese Stücke übergießt er mit der Vanillemil­ch und bestreut die Masse mit gemahlenem Mohn. „Dann musst du es vorsichtig, aber gut umrühren“, erklärt Peter. Erst wenn die Flüssigkei­t ganz aufgesogen beziehungs­weise verdampft ist, werden die Mohnknöder­l mit Akazienhon­ig serviert. „Im Sommer schmeckt das mit Vanilleeis auch super.“Jetzt haben wir bei minus 15 Grad plötzlich Appetit auf Eis. Er ist schon ein Teufelsker­l, dieser Peter Horvath.

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Was tun, wenn es grimmig kalt wird? Am besten geht man einfach an die frische Luft und kocht ein Kesselgula­sch.
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Rührend: Peter Horvath.

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