Von der Kukuruzwette bis zur „guten Diktatur“in der Alpenrepublik Ein sehr kleines Land mit besonderem Verhältnis zu einem sehr großen Land
Die versprochene Zuchtsau hat Leopold Figl nie bekommen. Aber allein die Kukuruzwette sagt einiges über herzliche Beziehungen Österreichs zu Moskaus Politik aus. Ministerpräsident Nikita Chruschtschow hatte 1960 beim Österreichbesuch mit Figl gewettet, dass russisches Saatgut den zehnfachen Ertrag der österreichischen Saat bringe. Ein Testanbaufeld auf dem Bauernhof von Figls Bruder bewies nach einem Jahr, dass der russische Mais etwas besser war – von zehnfachem Ertrag aber keine Rede sein konnte. Figl hatte die Wette gewonnen. Der Wettgewinn, eine Zuchtsau, wurde nie geliefert. Wladimir Putin machte die tierische Bringschuld mit 44 Jahren Verspätung indirekt wieder gut, als er dem Ehepaar Klestil 2004 zwei Welpen seiner Labradorhündin schenkte. Klestil und Putin verband ein besonders gutes Verhältnis. Das gilt – trotz zwischenzeitlicher Belastungen – auch zwischen Russland und Österreich. Die Besatzungszeit wurde in den sowjetisch besetzten Gebieten Österreichs als wesentlich drückender empfunden als in der französischen, britischen oder amerikanischen Zone. Österreich war dann 1955 das einzige Land, aus dem die Sowjetunion sich nach der Zusicherung, „eine Neutralität nach dem Muster der Schweiz“einzuführen, zurückzog. Wirtschaftliche Kontakte nach Moskau wirkten nach dem Staatsvertrag weiter – längst nicht nur im Kukuruzbereich. Die außenpolitische Neutralisierung hatte bald eine besondere Rolle der Alpenrepublik gegenüber Moskau zur Folge. Gerade in Zeiten des Kalten Kriegs konnte sich Wien als Hauptstadt eines Nicht-NATOStaats als Verhandlungsort zwischen der Sowjetunion und den USA in Szene setzen. In dieser über Jahrzehnte gewachsenen geopolitischen Zweckgemeinschaft hat Österreich immer wieder als Türöffner für Moskauer Politiker fungiert, wenn es für Moskau außenpolitisch schwierig geworden ist. Nach der russischen Annexion der Krim im Frühjahr 2014 war Österreich der erste EU-Staat, den Putin offiziell besuchte. Im Duett mit Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl nahm Putin die Gelegenheit wahr, über eine „gute Diktatur“in Österreich zu scherzen. Sebastian Kurz hatte schon zu Beginn von Österreichs OSZE-Vorsitz 2017 angekündigt, eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland vorantreiben zu wollen. In Moskau scheint man sich auch vom österreichischen EU-Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte einiges zu erwarten. Die kremlnahe Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“betitelte ihren Beitrag zur Nationalratswahl so: „Österreich hat die Zusammenarbeit mit Russland gewählt und sich von Migranten abgewandt.“ Putin soll bereits als KGB-Agent Österreich kennengelernt haben und zählte später neben Thomas Klestil auch Karl Schranz und den Manager Siegfried Wolf zu seinen Freunden. Und es könnte so sein, dass Putin Österreich nicht nur dann zu instrumentalisieren versucht, wenn er gerade über die USDiplomatie lästern will mit dem Sager: „Es ist schwierig, mit Leuten im Gespräch zu bleiben, die Austria mit Australia verwechseln.“