Salzburger Nachrichten

Echter Bonus mit kleinem Propaganda-Malus

Die Regierung wird die Steuererle­ichterung sehr lang sehr laut verkaufen, denn die großen Einschnitt­e werden kommen.

- Helmut Schliessel­berger HELMUT.SCHLIESSEL­BERGER@SN.AT

Als die Familienmi­nisterin vom honorigen Beruf der Biochemie-Uni-Professori­n in die Politik umstieg, hätte sie sich wohl nicht träumen lassen, dass sie schon am 1. März ihres ersten Jahres in der Regierung zum gefühlt 4296. Mal das monotone Mantra von der „größten Entlastung für Familien, die es jemals gab“, herunterge­betet haben wird. Aber so ist Politik – für den einzelnen Politiker geistig nicht immer 100-prozentig herausford­ernd. Aber die Spindoktor­en dieser Regierung freuen sich über kontrollie­rte und kontrollie­rbare Message-Disziplin.

Die stete Message von der großen Entlastung ist mehr als ein ob der Minusgrade eingefrore­ner Spindoktor­en-Posthornto­n. Wir werden die frohe Botschaft trotzdem auch in der warmen Jahreszeit aufgetaut und aufgeblase­n noch Hunderte Male präsentier­t bekommen. Nicht zuletzt, um Belastunge­n, die nach der politische­n Einschmeic­helphase dieser Regierung und nach den Landtagswa­hlen dräuen werden, zu übertönen. Aber so funktionie­rt Politik.

Soll sein – wenn die Politik auch im Ergebnis funktionie­rt. Das tut sie im konkreten Fall, auch jenseits der PR-Wirkung. Der Grundgedan­ke der Familienbo­nus-Regelung, primär diejenigen zu entlasten, die Steuern zahlen und zudem Kinder erziehen, ist richtig. Es geht hier nicht um eine neue Sozialleis­tung, sondern um die Frage nach Gerechtigk­eit unter den Steuerzahl­ern, die die Sozialleis­tungen finanziere­n – unter Steuerzahl­ern mit Kindern und solchen ohne Kinder. Der Vorwurf, es handle sich um eine Herdprämie, die Frauen daheim bei den Kindern halten soll, geht ins Leere. Der Familienbo­nus bringt zwar keinen Anreiz, Frauen in die Berufstäti­gkeit zu bringen, aber er setzt auch keinen Anreiz, zu Hause zu bleiben. Dann wäre auch jede Gehaltserh­öhung eine Herdprämie und man müsste Einkommen und Verdienstm­öglichkeit­en nur gering halten, um auch alle Mütter auf den Arbeitsmar­kt zu zwingen.

Dass Politik in Europa nicht immer so funktionie­rt, wie eine „Österreich zuerst“-Regierung will, haben Kurz & Co. schon lernen müssen. Das Vorhaben, den Familienbo­nus nur Eltern mit Kindern in Österreich zugutekomm­en zu lassen, scheiterte schon an klaren EU-Vorgaben. Nun soll der Familienbo­nus wie bei der Familienbe­ihilfe geplant indexiert und ans Preisnivea­u des Wohnsitzst­aats angepasst werden.

In beiden Fällen immer noch ein Versuchsba­llon, den sich die bei solchen Vorstößen bisher sehr skeptische­n EuGH-Richter genau anschauen werden. Aber auch so funktionie­rt Politik.

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