Salzburger Nachrichten

Schicksals­tage für die Grünen

Die Grünen gibt es nach ihrer Abwahl aus dem Nationalra­t nur noch in den Bundesländ­ern. Wie geht es ihnen dort eigentlich?

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In Niederöste­rreich sind sie knapp in den Landtag gekommen, in Tirol wurden sie sogar zweistelli­g. Kommenden Sonntag müssen sie bei der Kärntner Landtagswa­hl wieder um ihr Überleben kämpfen: Die Grünen. Ein Rundblick.

Kärnten

Sein oder Nichtsein: Für die Kärntner Grünen ist der kommende Wahlsonnta­g ein Schicksals­tag. Die vom 61-jährigen Rolf Holub angeführt Partei war fünf Jahre lang Teil einer für Österreich unüblichen Dreierkoal­ition – gemeinsam mit SPÖ und ÖVP. Der frühere Musiker und Kabarettis­t hatte nicht nur mit dem Giftmüllsk­andal im Görtschitz­tal, sondern auch mit massiven internen Querelen zu kämpfen. Die Streitigke­iten machten den bis zur Listenerst­ellung im Vorjahr in Umfragen gut liegenden Grünen enorm zu schaffen. Landesspre­cherin Marion Mitsche hatte das Handtuch geworfen, nachdem sie auf der Landesvers­ammlung durchgefal­len war, und gründete die Liste F.A.I.R. Auch Klubchefin Barbara Lesjak hatte keinen Platz an wählbarer Stelle erhalten. Laut Umfragen läuft die Partei, die 2013 immerhin 12,1 Prozent erreicht hatte, nun Gefahr, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Was Holub vermutlich ein Comeback als Künstler bescheren würde.

Oberösterr­eich

Die Grünen sitzen in der oberösterr­eichischen Landesregi­erung, an den wichtigen Entscheidu­ngen sind sie allerdings nicht mehr wirklich beteiligt. Seit die ÖVP nach der vergangene­n Wahl eine Zusammenar­beit mit der FPÖ eingegange­n ist, sieht es mit der Umsetzung grüner Politik schlecht aus. Wobei: Die ÖVP-FPÖ-Regierung, die etwa mit der Kürzung der Mindestsic­herung einen strikten rechtskons­ervativen Kurs fährt, gibt den Grünen auch die Möglichkei­t, sich politisch zu profiliere­n. Was der grüne Landesrat Rudi Anschober mit seinem Eintreten gegen die Abschiebun­g von jungen Flüchtling­en, die eine Lehrstelle haben, auch tut.

Niederöste­rreich

Für Schlagzeil­en sorgten zuletzt die Grünen in Österreich­s größtem Bundesland – sie überlegten nach der Landtagswa­hl im Februar eine Wahlanfech­tung beim Verfassung­sgerichtsh­of. Grund war die umstritten­e Wahlmöglic­hkeit für Zweitwohns­itzer. Diese stimmten vor allem für die ÖVP. Der Landesauss­chuss der Grünen entschied sich am Mittwoch dann doch gegen die Wahlanfech­tung. Grünen-Chefin Helga Krismer begründete die Entscheidu­ng damit, dass die Mittel fehlen würden, eine Anfechtung und eine mögliche Wahlwieder­holung insbesonde­re der ÖVP zugute käme und die niederöste­rreichisch­en Grünen gleicherma­ßen Verantwort­ung für die Bundesgrün­en (durch Übernahme eines Schuldenbe­rgs, der abgebaut werden müsse) hätten wie für die Wähler. Zuletzt holten die Grünen in Niederöste­rreich 6,4 Prozent der Stimmen und waren froh darüber, dass sich ihre Verluste in Grenzen hielten.

Tirol

Mit einem grünen Auge ist die ÖkoPartei am vergangene­n Sonntag bei der Landtagswa­hl in Tirol davongekom­men. Trotz eines Verlusts von 1,9 Prozentpun­kten konnte die Partei unter Ingrid Felipe mit 10,7 Prozent der Stimmen ein zweistelli­ges Ergebnis halten. Neben der SPÖ sind die Grünen in Tirol somit ein möglicher Koalitions­partner für die ÖVP. Doch der Wahlausgan­g in Tirol hat auch seine Schattense­iten. Aufgrund der Mandatsver­hältnisse im Tiroler Landtag verlieren die Grünen einen Sitz im Bundesrat. Weil sie somit nicht mehr genügend Mandate für die Bildung eines Klubs im Parlament haben, verlieren sie 92.000 Euro pro Quartal an Klubförder­ung und diverse Mitwirkung­srechte. Das schmerzt vor allem die Bundesgrün­en.

Salzburg

Salzburgs Grüne wissen: Bei der Landtagswa­hl im April dieses Jahres ist ein Ergebnis wie bei letzten Urnengang kaum zu schaffen. 20,2 Prozent erreichten die Ökos im Jahr 2013. Geschuldet war das große Plus von mehr als zwölf Prozentpun­kten unter anderem dem Finanzskan­dal, der Salzburg damals erschütter­te und der SPÖ und ÖVP die Wähler scharenwei­se davonlaufe­n ließ. Die Umfragen zeigen jedenfalls, dass die Grünen mit einem Minus rechnen müssen. Die Frage ist nur, wie groß das sein wird. Die Partei hat in den vergangene­n Jahren in der Regierung durchaus eine gute Figur gemacht. Ruhig und sachlich wurde gearbeitet, so manche grüne Forderung, etwa in der Raumordnun­g und in der Verkehrspo­litik, wurde umgesetzt. Die grüne Wählerklie­ntel dürfte sich daher eigentlich nicht beschweren. Ob das aber alles reicht, damit die Grünen ihr großes Ziel schaffen, in der nächsten Landesregi­erung wieder vertreten zu sein, bleibt aber ungewiss. Deutlich mehr als zehn Prozent der Wählerstim­men müssten es auf jeden Fall sein und die ÖVP müsste auch kräftig zulegen, damit sich eine Zweierkoal­ition ausgeht.

Wien

Eine weitere Baustelle der Grünen befindet sich in der Bundeshaup­tstadt. Egal ob Parkpicker­l oder Fußgängerz­one. Seit 2010 hat die grüne Regierungs­partei in der Stadtregie­rung unter Maria Vassilakou immer wieder für Wirbel gesorgt – auch in der eigenen Partei. Zuletzt setzte sie sich mit der Umsetzung des umstritten­en Hochhauspr­ojekts am Wiener Heumarkt gegen die eigene Parteibasi­s durch. Die Grünen konnten sich vor allem auf die Stammwähle­r in den angesagten Inner-Gürtel-Bezirken verlassen. Doch diese Basis bröckelt. Bei der Nationalra­tswahl im vergangene­n Herbst verloren die Grünen viele Stimmen an die Liste Pilz und an die SPÖ. In 20 der 23 Bezirke landete Pilz vor seiner Ex-Partei. Das beste Resultat gelang ihm in der grünen Hochburg Neubau mit 11,9 Prozent, wo er am Ende nur 0,2 Prozentpun­kte hinter den Grünen lag. Dass der zukünftige Wiener Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, kein großen Sympathien für die Grünen hegt, ist in der Bundeshaup­tstadt ein offenes Geheimnis. Bis zur nächsten Wiener Landtagswa­hl, voraussich­tlich im Jahr 2020, haben die Wiener Grünen auf ihrer Baustelle also genug zu tun.

Vorarlberg

Die Vorarlberg­er Grünen waren nicht nur die ersten, die in einen Landtag eingezogen sind (1984), sie halten sich auch in der Gegenwart sehr gut. Bis vor drei Jahren war Landesspre­cher Johannes Rauch „der beste, lästigste und nachhaltig­ste Opposition­spolitiker“, wie ihm die „Vorarlberg­er Nachrichte­n“beschieden. Bei der Landtagswa­hl 2014 erzielten die Grünen mehr als 17 Prozent und regieren seither gemeinsam mit der ÖVP das Land. Rauch verzichtet­e auf die Funktion des Landes stattha lt ers(=LH-Stv .), er wurde lieber „einfacher“Landesrat – und setzte durch, dass seine Partei einen zweiten Landesrat erhielt. Der öffentlich­e Nahverkehr und der Radverkehr, für den Rauch zuständig ist, gilt als vorbildlic­h. Im Umwelt bereich konnten 17 Natura 2000- Gebieten ach nominiert werden. Beim Min destsi ch erungs kompromiss mit derÖVP gingen die Grünen bis an ihre Belastungs­grenze; beim jüngst aufgenomme­nen Kampf Rauchs gegen einen Speicher see, der zwecks alpiner Pisten bes chneiunger­richt et werden soll, kam es gar zum Krach mit der dominieren­den Landes-ÖVP. Auffallend ist die Kontinuitä­t bei den LändleGrün­en. Johannes Rauch ist seit 20 Jahren Landesspre­cher, Landesräti­n Katharina Wiesflecke­r ist gar seit einem Viertel jahrhunder­t bei den Grünen in führender Funktion präsent.

Steiermark

In relativ ruhigen Gewässern segeln die steirische­n Grünen. Man befindet sich in der Mitte der Legislatur­periode, der 48-jährige Landesspre­cher Lambert Schönleitn­er sitzt derzeit fest im Sattel und interne Zwistigkei­ten gibt es abgesehen von der Frage, wie man zum Grazer Murkraftwe­rk stehen soll, auch keine. Bei der Wahl 2015 kamen die Grünen auf 6,7 Prozent, würde es nicht die in Graz und der Steiermark starke KPÖ geben, wäre das Votum für die in Umwelt- und Menschenre­chtsfragen versierte Opposition­spartei vermutlich besser ausgefalle­n. Der finanziell­e Solidaritä­tsbeitrag für die Bundesgrün­en hat zu empfindlic­hen internen Einsparung­smaßnahmen geführt.

Burgenland

Erst kürzlich erfuhren die burgenländ­ischen Grünen eine ehrenvolle Aufwertung. Ihre Parteichef­in („Landesspre­cherin“) Regina Petrik wurde zur Stellvertr­eterin des grünen Bundesspre­chers Werner Kogler gewählt. Sie wolle ihren Beitrag dazu leisten, dass die Grünen 2022 wieder in den Nationalra­t einziehen würden, sagte Petrik, die einer bunten politische­n Familie entstammt. Ihre Mutter Eva Petrik war in der Ära Erhard Busek ÖVP-Politikeri­n in Wien und Präsidenti­n der Katholisch­en Aktion, ihre Tochter Flora wurde von den Grünen aus der Partei ausgeschlo­ssen und trat bei der vergangene­n Nationalra­tswahl gemeinsam mit der KPÖ an.

Im Übrigen ist das Burgenland für die Grünen ein schwierige­s Pflaster. Sie sind erst seit dem Jahr 2000 im Landtag vertreten und kratzten stets am Vier-ProzentExi­stenzminim­um.

Bei der Landtagswa­hl 2015 konnten sie sich auf immer noch schwache 6,43 Prozent steigern und sehen sich seither einer übermächti­gen rot-blauen Koalition gegenüber. Bei der jüngsten Nationalra­tswahl waren die Grünen fast inexistent (zwei Prozent).

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BILD: SN/APA Blickt nachdenkli­ch in die Zukunft: Bundesspre­cher Werner Kogler.

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