Salzburger Nachrichten

SPD zittert Votum entgegen

Letzter Tag der Abstimmung: Lehnen die SPD-Mitglieder eine Neuauflage der Großen Koalition ab, wird es in Deutschlan­d bald zu Neuwahlen kommen.

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BERLIN. Deutschlan­d befindet sich in einer Ausnahmesi­tuation. Noch nie hat eine Regierungs­bildung so lang gedauert. Und noch nie haben so wenige Menschen über die Zukunft des Landes entschiede­n.

Knapp 460.000 SPD-Mitglieder und damit weniger als ein Prozent aller Wahlberech­tigten können noch bis Freitagnac­ht ihre Stimme für oder gegen die Neuauflage der Großen Koalition abgeben. Für die GroKo haben die künftige SPD-Chefin Andrea Nahles und die Parteispit­ze an sieben nicht öffentlich­en Regionalko­nferenzen geworben. Dem Vernehmen nach war die Stimmung im Publikum dreigeteil­t: ein Drittel ist dafür, ein Drittel dagegen und ein Drittel unentschie­den.

An der Spitze der GroKo-Gegner ist Juso-Chef Kevin Kühnert durchs Land gezogen. Zu seinen Veranstalt­ungen sind die Jungen gekommen, die aber nicht die Mehrheit der Mitglieder stellen. In seinen Vorträgen hat Kühnert zwar eingeräumt, dass in den Verhandlun­gen mit der Union Erfolge erzielt worden sind. Aber es sind in seinen Augen nicht genug. Auch sei die Erneuerung der Partei nur in der Opposition möglich.

Sollten die SPD-Mitglieder gegen die Koalition stimmen, wird nicht in ganz Deutschlan­d die Krise ausbrechen, wohl aber bei der SPD. Nahles und die Parteispit­ze wären auf das Schwerste beschädigt. Es wäre fraglich, wer die Partei führen soll.

Bei einem Nein zur GroKo ist zudem mit einer Neuwahl zu rechnen. Kanzlerin Angela Merkel hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie von einer Minderheit­sregierung mit wechselnde­n Mehrheiten nichts hält. Diese würde letztlich auf eine informelle Koalition von Union und SPD hinauslauf­en. Die SPD müsste auf prestigetr­ächtige Ministerpo­sten verzichten. Merkel müsste sich jeden Entscheid teuer erkaufen. Profitiere­n würde die AfD.

Die SPD-Spitze baut auf ein knappes Ja und auf die Angst ihrer Mitglieder vor Neuwahlen. Denn die würden wohl auch kein besseres Ergebnis für die SPD bringen. Allen Umfragen zufolge müssten die Genossen sogar mit einem weiteren Absturz rechnen. Die Mehrheit der Deutschen ist das Geschacher­e um eine Regierung schon lange leid.

Im Falle einer Ablehnung des Koalitions­vertrags mit CDU/CSU würde bei der SPD am Montag jedenfalls eine Personalde­batte ausbrechen, die an Heftigkeit alles Bisherige überbieten würde.

Aber auch im Fall der Zustimmung der Mitglieder zur Großen Koalition wird die Personalfr­age auftauchen. Denn Andrea Nahles wird es kaum schaffen, ihre Ministerli­ste wie angekündig­t bis zum 12. März geheim zu halten. Bei der Auswahl muss die künftige SPD-Chefin nicht nur den Osten des Landes und die Frauen angemessen berücksich­tigen. Sie muss vor allem die Frage beantworte­n, ob der in der Partei umstritten­e, aber in der Bevölkerun­g beliebte Außenminis­ter Sigmar Gabriel im Amt bleiben darf. Im Falle Kühnert hat Nahles dagegen bereits entschiede­n: „Er hat doch bereits die Rolle eines geachteten Bundesvors­itzenden der Jusos inne.“

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BILD: SN/APA/DPA/OLIVER BERG Andrea Nahles löste Martin Schulz an der Spitze ab. Bei einem Nein zur GroKo wird es für sie eng.

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