„Meine Figur ist schneller im Kopf“
Ausgerechnet Krimi-Kritikerin Anna Maria Mühe spielt erneut eine Kommissarin. Ihre Rolle der Nora Weiss wird Heldin einer Reihe.
Sie hat sich geziert. Nachdem im November 2016 zwei Krimis mit Mordfällen der Lübecker Ermittlerin Nora Weiss gezeigt wurden, war unklar, ob eine Fortsetzung folgen würde. Der dritte Film „Solo für Weiss: Es ist nicht vorbei“bedeutet, dass es weitergeht. SN: Statistisch betrachtet sind bei vielen Sendern zwei Drittel der produzierten Fiktion Krimis. Bleibt einem da nichts anderes mehr übrig, als Kommissarin zu werden? Anna Maria Mühe: Ich habe nichts gegen einen gut gemachten Krimi. Natürlich hätten wir Schauspieler gern eine größere Vielfalt an Genres. Andererseits muss man akzeptieren, dass Krimis nun einmal sehr erfolgreich laufen. Ich habe mich zum Beispiel lange gegen eine „Tatort“-Rolle gewehrt. SN: Sie hatten Angebote? Ja, aber das war mir zeitlich zu besetzt. Ich hätte zwei Filme pro Jahr drehen müssen. Bei „Solo für Weiss“ist es nur einer. Mir ist es wichtig, neben einer festen Rolle weiterhin viele andere spielen zu können. Dazu kommt, dass ich die Figur der Nora Weiss mit entwickeln konnte. SN: Was ist das Besondere an dieser Kommissarin? Sie hat eine klare Haltung und trotzdem ein Geheimnis. Man weiß nie, was bei ihr im Kopf vorgeht. Dazu kommt, dass sie schneller ist als die meisten anderen: schneller im Kopf, schneller im Handeln. Und sie macht alles am liebsten allein – daher der Titel „Solo für Weiss“. SN: Sie ist aber auch ein ziemlich unterkühlter Charakter. Ist das nicht recht undankbar für eine Schauspielerin? Man könnte es auch als Vorteil betrachten, jemand sein zu dürfen, dem seine Emotionalität nicht im Wege steht. Dies trifft nicht auf allzu viele Menschen zu. Es ist interessant, sich in jemanden reinzudenken, der logischer handeln und entscheiden kann als andere. SN: Diese Kühle passt zur nordischen Landschaft, in der dieser Krimi spielt. Ich mag die Kühle des Looks und der Atmosphäre, weil sie für mich vor allem für Klarheit steht. Kühl heißt nicht, dass mein Charakter schroff ist. Wer von Nora Weiss befragt wird, denkt sich vielleicht: „Ist die jetzt unfreundlich?“Nein, ist sie nicht. Aber eben auch nicht freundlich. Das Neutrale, Sachliche gibt mir als Schauspielerin – gerade in einer Reihe – auf lange Sicht die Möglichkeit, die unter dieser Sachlichkeit liegenden Gefühle fein dosiert zu entwickeln und zu zeigen. SN: Warum gibt es so viele unterkühlte Ermittler in TVKrimis? Ist das realistisch? Ich habe immer wieder mit echten Ermittlern gesprochen, um mich auf Rollen vorzubereiten. Die erzählen oft, dass sie derart heftige Sachen erleben, dass sie alles Berufliche zu Hause abspalten und nichts oder wenig von ihrer Arbeit erzählen. Daraus resultiert vielleicht auch etwas, das wie Sachlichkeit wirkt. Eine Sachlichkeit aus dem Schock heraus – oder zumindest eine, die den Ermittler selbst und sein privates Umfeld schützen soll. SN: Schauspielerin zu sein ist ebenfalls emotional aufwühlend. Wollen Sie nach einem langen Drehtag allein sein? Oder müssen Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen am Abend erst einmal „herunterkommen“? Kommt auf das Projekt an. Bei „Solo für Weiss“kann ich abends tatsächlich abschalten und auch noch etwas trinken gehen. Beim NSU-Film, in dem ich Beate Zschäpe spielte, ging das überhaupt nicht. SN: Gibt es Themen oder Situationen beim Dreh, die Ihnen immer wieder besonders nahegehen? Es sind nicht unbedingt Themen. Oft sind es Momente oder Menschen. Im neuen „Solo für Weiss“Film gibt es eine emotionale Szene mit André Hennicke und Linda Wendel. Beide haben mich beim Spielen so berührt, dass ich mich beim Drehen darauf konzentrieren musste, nicht loszuheulen. SN: Gibt es Tabus oder Grenzen für Sie? Dinge, die Sie im Film nicht tun würden? Nein, nicht von vornherein. Beim NSU-Film dachte ich: „Klar, das spiele ich auf jeden Fall. Eine tolle Rolle.“In der Vorbereitung merkte ich aber, dass ich eine Grenze überschreiten muss. SN: Wenn Sie sich neben dem Krimi Zeit für andere Projekte freihalten wollen – von welchen träumen Sie? Ich würde gern einmal Theater spielen – das habe ich noch nie gemacht. Da bräuchte es natürlich einen Regisseur, der Lust hat, mit mir zu arbeiten. SN: Sind Sie selbstbewusst, was Ihre eigene schauspielerische Leistung betrifft? Nein, ich kann mich selbst im Film nur schwer ertragen. Ich sehe dann vor allem Dinge, die ich hätte besser machen können. Solo für Weiss: Es ist nicht vorbei,