EU-Kompromiss für Entsenderichtlinie rückt näher
Ab 2021 soll bei Entsendungen EU-weit gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten. Das Problem der Kontrollen bleibt.
BRÜSSEL. Die umstrittene Reform der EU-Entsenderichtlinie nähert sich der Zielgeraden. Unterhändler von EU-Parlament, EU-Kommission und der bulgarischen Ratspräsidentschaft haben sich in der Nacht auf Donnerstag vorläufig auf die Grundzüge der seit Langem diskutierten Verschärfung der Regeln geeinigt. Die Sozialminister müssen bei ihrem nächsten Treffen am 15. März dem Kompromiss noch zustimmen, ebenso das EU-Parlament – voraussichtlich im April oder Mai.
EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen sprach am Donnerstag von einer „wegweisenden Einigung“für eine Reform der Entsenderichtlinie. Die sieht vor, dass ab Tag eins der Entsendung der gleiche Lohn mit allen Zuschlägen zu zahlen ist wie für lokale Mitarbeiter. Außerdem dürfen Arbeitgeber keine Transport- oder Logiskosten abziehen. Bisher gilt für entsendete Arbeitskräfte nur der Mindestlohn. Neu geregelt werden auch KettenEntsendeverträge und Sanktionen bei Verstößen. „Die Lösung ist besser für die Arbeitnehmer und bringt mehr Klarheit für die Unternehmen“, sagte die Berichterstatterin im EU-Parlament, Agnes Jongerius.
Die Entsendedauer soll auf zwölf Monate begrenzt werden (ab dann gilt das örtliche Arbeitsrecht voll), mit einer Verlängerungsmöglichkeit von sechs Monaten in Ausnahmefällen. Darauf hatte sich eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten im Oktober – auf Druck des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und gegen den Widerstand Polens und Ungarns – verständigt.
Das Thema der Entsendung von Arbeitnehmern hatte die Mitgliedsstaaten monatelang entzweit: Auf der einen Seite die im Osten mit niedrigem Lohnniveau, die verlangen, dass ihre Unternehmen zu günstigen Preisen auch in anderen EU-Ländern arbeiten können. Dem stehen die westlichen Staaten gegenüber, darunter Deutschland, Frankreich und Österreich, die Lohndumping ausschließen wollen.
Die EU-Kommission hatte im März 2016 einen Reformvorschlag für die aus 1996 stammende EUEntsenderichtlinie vorgelegt, weil diese nach Meinung von Gewerkschaftern Schlupflöcher bot, um örtliche Sozialstandards zu unterlaufen. Nach Angaben der EU-Kommission verdienen entsandte Arbeitnehmer derzeit oft nur halb so viel wie einheimische Beschäftigte. Der Vorschlag der EU-Kommission sah Entsendungen bis zu 24 Monate vor und Kollektivlöhne. Hier wurde in Verhandlungen nachgebessert. Derzeit dauern Entsendungen im Durchschnitt drei bis sechs Monate.
In Österreich wird sich durch die neue EU-Richtlinie, die 2021 in Kraft treten soll, wenig ändern. Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz ist bereits eines der schärfsten in der EU und schreibt ab Tag eins gleichen Lohn für gleiche Arbeit vor.
Ungelöst ist weiter das Problem von Scheinfirmen, über die Entsendungen organisiert werden, sowie von Betrügereien bei der Sozialversicherung für ausländische Arbeitskräfte. Hier sind weitere EU-Gesetzesvorhaben in der Pipeline, etwa zur engeren Kooperation zwischen den zuständigen Behörden der EUMitgliedsstaaten. Die EU-Kommission wiederum verspricht sich Verbesserungen durch die geplante Arbeitsschutzbehörde.
2015 gab es laut EU-Kommission rund zwei Millionen entsandte Arbeitnehmer in der Union. Österreich lag damals mit rund 108.000 aufgenommenen entsendeten Arbeitskräften auf Platz vier.