Nicht jeder Bergunfall ist durch eine Versicherung gedeckt
Warum etwa bei Erfrierungen, die während einer Bergtour auftreten, Ansprüche aus der Unfallversicherung verwehrt werden.
Erfrierungen schädigen die Gesundheit, sie sind rechtlich aber nicht als Unfall zu werten. Sie treten allmählich anstatt plötzlich auf. Sie können daher nur unter den Versicherungsschutz fallen, wenn sie durch ein Unfallereignis verursacht wurden.
Konkretes Beispiel: Der Kläger und sein Kletterpartner durchstiegen die Eiger-Nordwand. Als ein Stein plötzlich ausbrach, stürzte der Kläger ins Seil. Durch diesen Sturz erlitt er keine Verletzungen, allerdings traten in den Kniebereichen seiner Hose unter anderem zwei bis vier Zentimeter lange Risse auf. Die Seilschaft setzte ihre Tour bis zum Gipfel fort. Beim Kläger kam es wegen einer durchnässten Hose und Feuchtigkeitseintritt in die Schuhe zu Erfrierungen an beiden Vorfüßen, die eine Amputation notwendig machten.
Der Oberste Gerichtshof verneinte einen Anspruch aus der Unfallversicherung: Das Vorliegen eines Unfalls setze – versicherungsrechtlich – im Regelfall eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Versicherten voraus. Ausnahmsweise könne ein Unfall auch darin liegen, dass jemand zwar nicht durch ein plötzliches Ereignis direkt verletzt, aber dadurch indirekt in seiner körperlichen Funktionalität (etwa fehlende Fortbewegungsmöglichkeit) beeinträchtigt werde. Vorausgesetzt, er gerate dadurch in eine hilflose Lage, die dann zumindest mitursächlich für einen relevanten Gesundheitsschaden ist.
Wenn darüber hinaus Ausrüstungsgegenstände – wie hier die Hose – beschädigt werden, sehen die Höchstrichter das nicht als Unfall. Der Sturz des Klägers in das Kletterseil habe nämlich zu keiner Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität geführt. Die dadurch bedingte Abnutzung seiner Hose habe ihn nicht in seiner wesentlichen körperlichen Funktionalität so beeinträchtigt, dass er dadurch in eine prekäre Lage geriet. Er konnte die Klettertour ja fortsetzen und beenden. Kurzum: Es lag ein Unglücksfall, aber kein Unfall vor.
Wer also auf einer Bergtour oder in einer Wand so stürzt, dass er nicht mehr weiterkommt (weil er verletzt ist oder weil er Pickel oder Steigeisen verloren hat oder das Seil beschädigt ist), hat offenbar versicherungsrechtlich „Glück im Unglück“. Hingegen hat der Versicherte Pech, wenn ihm der Sturz erst später zum Verhängnis wird.
Vor dem Hintergrund dieser doch überraschenden Entscheidung fragt sich, wie dann zum Beispiel der Fall zu beurteilen ist, wenn jemand am Berg durch einen Sturz die Sonnenbrille verliert und in der Folge schneeblind wird.