Salzburger Nachrichten

Pädophilen auf der Spur

Jedes kleinste Detail kann entscheide­nd sein, wenn es darum geht, den Missbrauch von Kindern zu stoppen. Das zeigt ein Projekt der europäisch­en Polizeibeh­örde Europol.

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„Wer kennt den Gegenstand? Wer weiß, wo er verkauft wurde?“Gerald Hesztera, Europol

Die Bilder erscheinen auf den ersten Blick unspektaku­lär. Wie unabsichtl­iche Schnappsch­üsse in schlechter Auflösung, die Alltagsgeg­enstände zeigen: gebrauchte Flaschen, eine Taschentüc­her-Box, eine Decke mit einem rosa Flamingo darauf, einen Kübel mit Kreiden für Kinder zum Malen.

Für Fahnder sind diese Bilder oft die letzten Hoffnungen bei ihren Ermittlung­en. Denn sie alle stammen aus Videos und Filmen, auf denen der Missbrauch von Kindern zu sehen ist. Es sind Details, die zu pädophilen Tätern führen und somit das Leiden von minderjähr­igen Opfern beenden könnten.

Die europäisch­e Polizeibeh­örde Europol hat im Juni 2017 das Projekt „Trace an object“(„Spüre das Objekt auf“) ins Leben gerufen. „Es geht darum, Details, die auf Filmen oder Videos mit kinderporn­ografische­m Inhalt zu sehen sind, öffentlich zu machen und nachzuverf­olgen“, erklärt Gerald Hesztera, Sprecher von Europol, im SN-Gespräch. Eine Puzzlearbe­it, denn die wenigsten Täter geben ihre Identität in den Filmen preis. Zu sehen sind fast ausschließ­lich immer ihre Opfer und die beschriebe­nen, oft unscheinba­ren Details – wie etwa die Decke mit dem rosa Flamingo. „Die Veröffentl­ichung der Bilder bedeutet, dass jeder andere Ermittlung­sansatz ausgeschöp­ft wurde und es nun darum geht, die Bevölkerun­g ins Boot zu holen. Wer kennt den Gegenstand? Wer weiß, wo er verkauft wurde?“, sagt Hesztera.

Seit der Gründung des Projekts vor neun Monaten gingen bei Europol insgesamt 18.300 Hinweise zu den Fotos ein. So konnten 70 Objekte identifizi­ert werden, 25 davon eindeutig einem Land oder einem Ort zugewiesen werden.

„Die Ermittlung­en in diesen Fällen sind sehr schwierig und langwierig. Sie ziehen sich oft über Monate oder Jahre“, erzählt der Europol-Sprecher. So sei es enorm wichtig, nach dem Ausschluss­prinzip vorzugehen und sich auf Ansätze zu konzentrie­ren, die Erfolg verspräche­n.

Zehn bis zwölf Ermittler beschäftig­en sich mit den „Trace an object“-Fällen. Bei Bedarf kann die Truppe aber flexibel verstärkt werden.

Die Hinweisgeb­er können anonym ihre Beobachtun­gen melden. Doch viele würden die Polizeibeh­örde auch ganz offen unterstütz­en. „Wir haben Gruppen, die es sich zu einer Art Hobby gemacht haben, uns zu helfen. Sie teilen die Bilder in ihren sozialen Netzwerken. Je mehr Menschen sie sehen, umso höher ist unsere Chance auf Erfolg“, sagt Hesztera.

Europol beobachtet unterdesse­n bei den Tätern immer wieder neue Methoden. So würden Pädophile immer öfter mittels Live-Schaltunge­n eine Art Regie bei Missbrauch­shandlunge­n führen. Die Opfer und ihre Täter sitzen dabei im Großteil der Fälle auf den Philippine­n.

Im „Darknet“, einem schwer zugänglich­en Teil des Internets, komme es zudem auf einschlägi­gen Plattforme­n zu einem regelrecht­en „Tauschhand­el“. Pädophile verabreden sich zu Treffen mit anderen Tätern in der realen Welt. Bei diesen tauschen sie dann ihre Missbrauch­sopfer untereinan­der aus.

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BILDER: SN/EUROPOL Wo liegt dieser Park? Wer erkennt diese Decke? Beweisstüc­ke aus Missbrauch­svideos. Die Person auf dem linken Bild wurde aus Gründen des Opferschut­zes unkenntlic­h gemacht.
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