Immer mehr brutale Raubüberfälle in Wohnungen
Skrupellose Tätergruppen aus Osteuropa bedrohen und misshandeln ihre Opfer. Für diese sind die Folgen aus vielerlei Hinsicht verheerend.
WIEN.
Die Täter nutzen das Überraschungsmoment, überrumpeln ihre Opfer, fesseln, misshandeln und bedrohen sie, durchwühlen die Wohnung und flüchten: Seit einigen Jahren nehmen diese brutalen Raubüberfälle auf Personen in deren eigenen vier Wänden zu. Sie sind in ihrem Ablauf derart typisch, dass ihnen Kriminalisten einen eigenen Namen gegeben haben: Home-Invasions. Auch in Österreich häufen sich die Fälle. Die Opfer bleiben nicht nur materiell beraubt, sondern vor allem psychisch traumatisiert zurück.
„Die Täter suchen sich gezielt Haushalte aus, in denen ältere oder gebrechliche Personen leben, spionieren sie aus und schlagen dann kaltblütig zu“, erklärt Vincenz Kriegs-Au vom Bundeskriminalamt (BK). Während herkömmliche Einbrecher eher darauf achten, dass sie bei ihren Beutezügen niemanden antreffen, ist es bei den Heiminvasoren genau umgekehrt. „Die denken ganz anders. Für sie ist wichtig, dass es wenig Gegenwehr gibt, dass die Opfer leicht zu überwältigen sind. Was in allen Fällen heraussticht, ist die sehr hohe Gewaltbereitschaft dieser Leute.“
Meist stammten die Täter aus Rumänien oder Serbien, sagt BK-Sprecher Kriegs-Au. Um gewiefte Taktiker handle es sich, vorsichtig ausgedrückt, nicht. „Man kann sich vorstellen, dass drei, vier Männer, die ein ganzes Haus durchwühlen, Spuren hinterlassen.“Sie seien nur an Bargeld, Uhren und Schmuck interessiert. „Darum sollte man derlei Wertsachen nicht daheim bun- kern.“Auch nicht in Safes. Denn unter Androhung oder Ausübung von Gewalt würden Schlüssel oder Zugangscodes herausgepresst. „Die Aufklärungsrate beträgt 80 bis 90 Prozent“, sagt Raimund Schwaigerlehner von der Landespolizeidirektion Niederösterreich. Nur dauere es bis zu ein Jahr, bis man den Tätern das Handwerk legen könne. Bekanntestes Beispiel ist die „Froschbande“. Im Sommer 2016 wurden in Wiener Neustadt neun Rumänen zu hohen Haftstrafen bis 17 Jahre verurteilt. „In beispielloser Weise sind die Männer mit brachialer und unnötiger Gewalt vorgegangen“, sagte die Richterin damals in ihrer Urteilsbegründung. Genaue Zahlen, wie viele dieser Raubüberfälle in Österreich bereits verübt wurden, gibt es nicht. Es sei eine Mischung aus Einbruch und schwerem Raub, erklärt BKSprecher Kriegs-Au. Er betont aber, dass Home-Invasions im Grunde „sehr selten“seien.
„Es ist eine ganz neue Qualität von Gewaltdelikten“, bestätigt Dina Nachbaur von der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Die Zahl der Menschen, die sich nach solchen Verbrechen melden, wachse. „Für die Opfer ist das besonders grausam. Solch eine Gewalterfahrung im intimsten Privatbereich erschüttert jedes Sicherheitsgefühl.“
Vor allem ältere Personen hätten nach derart dramatischen Erlebnissen oft nicht mehr den Mut, allein zu leben. „Das ist schon eine Traumatisierung“, bekräftigt Nachbaur. Was sich im Zuge einer Home-Invasion ereigne, sei „die Summe von ganz vielen Dingen, die schon einzeln betrachtet unerträglich sind“.