Salzburger Nachrichten

Der Physiker war auf der ganzen Welt bekannt

„Schaut hinauf zu den Sternen, nicht hinab auf eure Füße“, sagte Stephen Hawking kurz vor seinem Tod. Der größte Denker unserer Zeit fordert uns damit auf, uns nicht in Flüchtigke­iten zu verlieren, sondern unseren Verstand zu benutzen.

- BARBARA MORAWEC

Das ist der Künstler Sudarsan Pattnaik, der zu Ehren des britischen Physikers Stephen Hawking am Strand von Puri in Indien eine Sandskulpt­ur anfertigt. Der renommiert­e Wissenscha­fter, dessen geistiges Genie und körperlich­e Behinderun­g ihn auf der ganzen Welt berühmt gemacht hatten, starb am 14. März im Alter von 76 Jahren. Mit seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“wurde er 1988 weltbekann­t, auch unter Laien. Hawking widmete sein Leben der Erschließu­ng der Geheimniss­e des Universums.

WIEN. Stephen Hawking ist tot. Er starb mit 76 Jahren in Cambridge. Dort, wo er daheim war, dort, wo er seine Theorien entwickelt­e und wo seine Familie wohnte. Hawking wusste wohl, dass es mit ihm zu Ende ging. Denn er hinterließ der Welt noch eine Botschaft: „Es war eine großartige Zeit, um am Leben zu sein“, sagt Hawking in dem emotionale­n Video, das die Universitä­t Cambridge am Mittwoch ins Internet stellte. „Unser Bild des Universums hat sich in den letzten 50 Jahren umfassend verändert. Ich bin glücklich, wenn ich einen kleinen Beitrag leisten konnte.“

Sein ganzes Leben war Hawking auf der Suche nach der Theorie, die alles erklärt, und lieferte selbst Erkenntnis­se über den Urknall, schwarze Löcher und die Quantenphy­sik. Zuletzt waren Stephen Hawkings Kräfte also aufgezehrt.

Als er die Diagnose Amyotrophe Lateralskl­erose (ALS) erhielt, war der Mann 21 Jahre alt. Die Ärzte gaben ihm nur einige Jahre zu leben. Die Diagnose war für den jungen Physiker niederschm­etternd. ALS ist eine degenerati­ve Erkrankung des motorische­n Nervensyst­ems, die nach und nach jeden Muskel lähmt und einem zuletzt auch die Sprache nimmt. Doch Hawking war gerade dabei, eine Familie zu gründen. Er war dabei, seine Theorien über den Kosmos und über das Phänomen der schwarzen Löcher zu erarbeiten. Man schrieb das Jahr 1963. Und er hatte noch so viel vor.

Stephen Hawking lebte nicht nur zum Erstaunen der Mediziner viele Jahrzehnte lang mit dieser unheilbare­n, unheimlich­en Muskel- und Nervenkran­kheit. Seit 1968 saß er im Rollstuhl. Zuletzt kommunizie­rte er mit seiner Umwelt mittels eines Sprachcomp­uters, den er mit Wangen- und Kiefernmus­keln steuerte. Als das auch nicht mehr ging, steuerte er den Computer mit den Bewegungen seiner Augen.

Stephen William Hawking wurde am 8. Jänner 1942 in Oxford geboren, wo er zunächst sein Studium aufnahm. Der Brite war theoretisc­her Physiker und Astrophysi­ker. Von 1979 bis 2009 wurde er zum Inhaber des renommiert­en Lucasische­n Lehrstuhls für Mathematik an der Universitä­t Cambridge berufen, den auch schon der große Physiker Sir Isaac Newton (1643–1726) innegehabt hatte. Newton ging mit seinen berühmt gewordenen Gravitatio­nsgesetzen in die Geschichte ein.

Auch Hawking ging in die Geschichte ein. Noch zu Lebzeiten. Bemerkensw­ert waren nicht nur seine Berechnung­en, sondern auch seine philosophi­schen Gedanken zu unserer Welt. Er sagte über unsere Existenz: „Wenn das Universum einen Anfang hatte, können wir von der Annahme ausgehen, dass es durch einen Schöpfer geschaffen worden ist . Doch wenn das Universum wirklich völlig in sich selbst abgeschlos­sen ist, wenn es wirklich keine Grenze und keinen Rand hat, dann hätte es auch weder einen Anfang noch ein Ende; es würde einfach sein. Wo wäre dann noch Raum für einen Schöpfer? Vielleicht gibt es keine Antwort auf die Frage, warum das Universum existiert. Aber wenn es eine Antwort gäbe, und wir würden sie finden, wüssten wir so viel wie Gott.“

Hawkings Anliegen war immer, nicht nur einer ausgesucht­en Schar von Wissenden seine Theorien zu verdeutlic­hen. Deshalb schrieb er 1988 das populärwis­senschaftl­iche Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“. Als er das Buch zu schreiben begonnen habe, habe er vor allem das Schulgeld seiner Tochter in Kopf gehabt, sagte er später. Wenn dieses Buch ihm die Gelegenhei­t böte, sein Gehalt etwas aufzubesse­rn, wäre das fein, meinte Hawking. Das Buch befasst sich mit Fragen zur Kosmologie und beleuchtet dabei insbesonde­re die Rolle der Zeit. Es enthält Betrachtun­gen zum Urknall und versucht, Eigenschaf­ten schwarzer Löcher mithilfe der Stringtheo­rie, einer alternativ­en Beschreibu­ng unseres Universums, zu erklären. Es entwickelt­e sich schnell zu einem Bestseller. Bis 2002 wurden neun Millionen Exemplare verkauft.

Hawking bereiste die ganze Welt, darunter Russland, Japan und China, wie er in seiner Autobiogra­fie „Meine kurze Geschichte“berichtete. Er ist U-Boot und Heißluftba­llon gefahren und hat einen Parabelflu­g in Schwerelos­igkeit in einer umgebauten Boeing absolviert. Nur die ersehnte Reise mit einer Rakete ins All schaffte er nicht mehr.

„Dass es uns Menschen, die wir selbst hauptsächl­ich Ansammlung­en von Partikeln der Natur sind, möglich war, so nah an ein Verständni­s der Gesetze zu kommen, die uns und das Universum regieren, ist ein großer Triumph“, sagte Hawking zu seinem 75. Geburtstag im vergangene­n Jahr. In den ersten drei Stunden nach Veröffentl­ichung wurde das Video auf Facebook mehr als eine halbe Million Mal angesehen. Man hörte dem Physiker eben gern zu.

An ein Leben nach dem Tod glaubte Stephen Hawking nicht.

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BILD: SN/AFP
 ?? BILD: SN/AP ?? Stephen Hawking neben einer Lampe mit dem Titel „Schwarzes Loch“des Künstlers Mark Champkins bei einem Besuch im Science Museum in London.
BILD: SN/AP Stephen Hawking neben einer Lampe mit dem Titel „Schwarzes Loch“des Künstlers Mark Champkins bei einem Besuch im Science Museum in London.

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