Salzburger Nachrichten

Wie Deutschlan­ds Linksparte­ien wieder populär werden

SPD und Linke seien zu kosmopolit­isch, meint der Politikwis­senschafte­r Andreas Nölke. Das nutze den Rechten.

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WIEN. Armut, wirtschaft­liche Ungleichhe­it und die Angst vor dem eigenen sozialen Abstieg beschäftig­en immer mehr Deutsche. Warum gerade die Linksparte­ien bei Wahlen davon nicht profitiere­n, sondern die Rechten, analysiert Politikwis­senschafte­r Andreas Nölke in dem Buch „Linkspopul­är: Vorwärts handeln, statt rückwärts denken“.

Den Aufschwung der Rechtspopu­listen führt Nölke darauf zurück, dass es kein alternativ­es linkes Programm gibt. Der Spruch aus Sonntagsre­den, „die Sorgen der Bürger ernst nehmen“zu wollen, spiegle sich nicht ausreichen­d in linken Parteiprog­rammen – vor allem dann, wenn es um Migration, Globalisie­rung und EU gehe.

Dabei fehlt der deutschen Parteienla­ndschaft laut Nölke genau so eine Partei: eine, die linke Positionen in sozialen Fragen mit einer nicht kosmopolit­ischen Haltung verbindet. Gebe es eine solche Partei weiterhin nicht, blieben alle Wähler, die keine ausgeprägt weltoffene Haltung haben, „gezwungen“, AfD zu wählen. Auch dann, wenn sie deren Extremismu­s oder deren Wirtschaft­sprogramm nicht teilen, betont Nölke.

Das oberste Ziel der Linksparte­ien, vornehmlic­h also der SPD und der Linken, müsse es sein, die wirtschaft­liche Lage der weniger Privilegie­rten zu verbessern. Dazu braucht es eine Neuausrich­tung der deutschen Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik, über die es derzeit aber kaum öffentlich­e Diskussion gibt; im Vordergrun­d steht Integratio­n. Gleichzeit­ig müssten die Linksparte­ien weg von ihrer kosmopolit­ischen Ausrichtun­g hin zu einer „links-kommunitar­istischen“, wie Nölke sagt – und das schließlic­h einfacher „linkspopul­är“nennt.

Linkspopul­är dürfe dabei auch bei Themen wie Globalisie­rung und Migration nicht bedeuten, dass alle Entscheidu­ngsträger in Wirtschaft, Politik, Medien und Verwaltung pauschal unter Korruption­sverdacht gestellt werden. Es sollte keine neue Protestpla­ttform sein, sondern lösungsori­entiert. „Essenziell ist hier eine überzeugen­de wirtschaft­spolitisch­e Strategie“, sagt Nölke. Bloße Ablehnung von starker Migration und Euro genüge nicht, um zu überzeugen.

Dass gerade der SPD eine solche Ausrichtun­g so schwerfäll­t, führt Nölke auf zwei Faktoren zurück. Zum einen hat sich die SPD-Wählerscha­ft in den vergangene­n Jahrzehnte­n stark verändert, sie ist heute viel heterogene­r. Es gibt eine Kluft zwischen jungen Linken aus der Mittelschi­cht und den „Abgehängte­n“der Gesellscha­ft. Beide Klientelgr­uppen gleichzeit­ig zu bedienen ist schwierig. Für junge Linke aus der Mittelschi­cht spielen etwa die Verteilung­sfragen kaum eine Rolle. Und wenn, dann in abstrakter Form wie bei der globalen Umverteilu­ng zwischen Nord und Süd.

Zum anderen hat gerade die Sozialdemo­kratie eine starke internatio­nale Tradition, der sie sich verpflicht­et fühlt. Einen möglichen Ausweg zumindest aus diesem zweiten Dilemma zeigt Nölke auf: Solidaritä­t, quasi in abgestufte­r Form. Als ein Beispiel dafür nennt er den mittlerwei­le ehemaligen SPD-Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Der hatte während der Flüchtling­skrise Anfang 2016 gefordert, weitere Unterstütz­ung für Flüchtling­e von Verbesseru­ngen für die schon in Deutschlan­d lebenden Armen abhängig zu machen. Mehrheitsf­ähig war diese Position in der SPD bekanntlic­h nicht.

 ?? Andreas Nölke: „Linkspopul­är: Vorwärts handeln, statt rückwärts denken“. 240 Seiten, Westend, 2018. ??
Andreas Nölke: „Linkspopul­är: Vorwärts handeln, statt rückwärts denken“. 240 Seiten, Westend, 2018.

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