China verbietet genervtes Augenverdrehen
Beim Volkskongress sind ernste, zustimmende Blicke gefragt.
Ein Augenrollen sagt mehr als tausend Worte. In diesem Fall hat Liang Xiangyi, eine Journalistin des Internetportals Yicai.com, mit ihrer Mimik das ausgedrückt, was alle im Raum dachten: Wie langweilig! Auslöser war die Frage einer anderen Journalistin – einer Dame in einem roten Blazer von einem staatlichen TVSender. Diese hatte auf einer Pressekonferenz am Rande des Volkskongresses in Peking eine jener „Fragen“gestellt, die vor allem eines sind: umfangreiches Lob für die Regierung. Liang ist jetzt in China berühmt – doch das Video von diesem kostbaren Moment ist zensiert. Das Augenrollen war live im Fernsehen zu sehen und verbreitete sich als Video-Schnipsel sofort in sozialen Medien. Die Internetnutzer finden es erfrischend. „Dieser Blick wird das Einzige sein, an das ich mich von diesem Volkskongress erinnere“, schrieb ein Blogger. Die Staatsmedien übertragen jede Propagandarede mit all ihren Phrasen in Länge und Breite. Wem da nicht langweilig wird, der muss schon ein sehr linientreuer Kommunist sein. Selbst Mitglieder des Zentralkomitees der Partei nicken zuweilen ein.
China hat ein gemischtes System: Es gibt durchaus private Medien, und die produzieren einen Großteil ihrer Inhalte auch völlig ungehindert. Nur wenn es um bestimmte Themen geht, gelten die Vorgaben der Zensur. Präsident Xi Jinping und seine Politik, die Macht der Partei, der Reichtum der Genossen an der Spitze, Taiwan als Teil Chinas, das Massaker von 1989 – da greifen die Überwacher ein.
Journalistin Liang hatte die unsichtbare Grenze nun durch das Augenrollen überschritten: Das Video ließ sich auf führenden Plattformen nicht mehr öffentlich posten. Die genervte Journalistin Liang erfährt dabei von allen Seiten Zustimmung. Kein Wunder, schließlich lautete die Frage der linientreuen Kollegin neben ihr: „Die Umgestaltung der Verantwortlichkeitsstruktur für die Aufsicht über staatliche Unternehmensbeteiligungen ist eine Frage von großem Interesse für das chinesische Volk. Welche Neuerungen planen Sie als Direktor der Kommission zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen unter dem Staatsrat im Jahr 2018? In diesem Jahr feiern wir den vierzigsten Jahrestag der Reform- und Öffnungspolitik, und unser Land tritt in eine neue Phase der Offenheit gegenüber der Welt ein. Die Kommunistische Partei unter Generalsekretär Xi Jinping treibt die Initiative ,Ein Gürtel, eine Straße‘ weiter voran, daher haben staatseigene Betriebe ihre Investitionen entlang der Seidenstraße erhöht. Wie können die Überseeinvestitionen der Staatsbetriebe so verwaltet werden, dass keine Anlagerisiken auftreten? Welche Mechanismen wurden bisher eingeführt und was sind die Ergebnisse der Überwachung?“
Das Augenrollen erfolgte bereits während des ersten Drittels dieser Frage. Die rote Journalistin hat indes alle Schlagworte eingebracht, die derzeit von der Zensur erwünscht sind: die Seidenstraße, Reform und Öffnung, die Führung durch Xi und Auslandsinvestitionen.
Was jetzt aus Liangs eigener Karriere wird, ist noch offen.