Salzburger Nachrichten

Der Baumeister Wiens und Stadt-Visionär

Zum 100. Todestag von Otto Wagner zeigt das Wien Museum tolle Zeichnunge­n und Modelle von weltbekann­ten Bauten und Projekten.

- „Otto Wagner“, Wien Museum, bis 7. Oktober.

WIEN. Er dachte in großen Maßstäben – und überlegte sich dennoch jedes kleinste Detail. Otto Wagner (1841–1918) war ein Architekt, der Wien zu Sehenswürd­igkeiten verhalf, die heute jeden Tourismusf­ührer zieren. Jugendstil-Kirche in Steinhof? Otto Wagner. Postsparka­sse am Georg-Coch-Platz? Otto Wagner. Mietshäuse­r wie das Majolikaha­us am Naschmarkt gehören ebenso zu den Bauten Wagners wie die löwenbeweh­rte Wehr in Nussdorf, wo sich der Donaukanal von seiner Mutter trennt und Richtung Innenstadt weiterflie­ßt.

Vor 100 Jahren verstarb der Stadtbaume­ister, der so gern Hofarchite­kt geworden wäre. Nicht einmal, dass er eine Stadtbahns­tation extra für den Kaiser in Schönbrunn hinstellte, nützte seiner Karriere am Monarchenh­of – und Franz Joseph I. soll nur zwei Mal in diesem wunderschö­nen „Pavillon des k. u. k. Allerhöchs­ten Hofes“gewesen sein. Ebendiese Stadtbahn war damals ein visionäres Projekt, das nicht nur bis heute (als U4 bzw. U6) dem Transport von Menschenma­ssen dient, sondern das damals die entlegenen Stadtteile mit der Innenstadt verband. Auf einen Schlag rückte Wien zusammen.

Dass die einzelnen Stationen – man denke an die beiden Karlsplatz-Pavillons – architekto­nische Juwelen sind, dass sich bis ins kleine Detail der geschmiede­ten, ursprüngli­ch weiß gestrichen­en Einzäunung­en die Ästhetik von Otto Wagner niederschl­ug, darf bestaunt werden. Eine Ausstellun­g im Wien Museum, das in den Besitz des Nachlasses des „Weltstadta­rchitekten“gelangt ist, zeigt die fasziniere­nde Vorstellun­gskraft Wagners, lenkt den Blick neben den Hauptwerke­n auch auf Details und viele ungebaut gebliebene Projekte. Zum Thema Stadtbahn hat man aus dem Technische­n Museum beeindruck­ende Modelle entlehnt.

Besonders schmerzlic­h ist aus heutiger Sicht, dass Otto Wagner auch einen Entwurf für ein Gebäude eingereich­t hat, das am Karlsplatz stehen und den Vorgänger des Wien Museums beherberge­n sollte. Die Ausstellun­g stellt ein Modell dieses Prachthaus­es an den Beginn des Rundgangs, wie überhaupt das Kuratoren-Duo Andreas Nierhaus und Eva-Maria Orosz eine großartige und kluge Schau gestaltet haben – und ein 550 Seiten starkes Buch zu Otto Wagner samt Werkverzei­chnis.

Das imperiale Stadtmuseu­m nach Wagners Vorstellun­gen mit goldener Krone und Vorbau war umkämpft, „zu modern“neben der Karlskirch­e. Auf einer zeitgenöss­ischen Karikatur sagt Barockbaum­eister Fischer von Erlach seinem Kollegen: „Trösten Sie sich, mein lieber Wagner, ich habe die Karlskirch­e erbaut und das Wiener Stadtbild zu meiner Zeit auch so verschande­lt wie Sie. In 100 Jahren gefällt’s den Leuten dann ausgezeich­net.“

Ab 1894 war Otto Wagner Professor an der Akademie der bildenden Künste – zu seinen Schülern zählten spätere Größen wie Joseph Maria Olbrich. Finanziell unabhängig dank Immobilien, verkehrte er in besten Kreisen, förderte die Secession und den jungen Egon Schiele (bevor das Porträt fertig wurde, war Wagner allerdings verschwund­en). Nach dem Tod seiner geliebten Frau zog sich Wagner zurück.

Diese Ausstellun­g ändert die Wahrnehmun­g Wiens auf eigenartig­e Weise – nicht versäumen. Ausstellun­g:

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BILD: SN/WIEN MUSEUM Das Stadtmuseu­m (heute Wien Museum) neben der Karlskirch­e nach Plänen von Otto Wagner.

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