Keith Haring entdeckte für die Kunst den primitiven Code
Heuer wäre der US-Künstler 60 Jahre alt geworden, doch starb er mit 31 Jahren an Aids. Er hinterließ Einzigartiges.
WIEN. Er tauchte in den 1980ern wie aus dem Nichts auf, war von Beginn an unverkennbar. Er wurde ein Star der Kunstwelt: Keith Haring hat ein ikonisches Werk geschaffen, und als er 1990 im Alter von nur 31 Jahren an Aids starb, war er bereits weltberühmt.
Und jeder fand – und findet – Zugang zu dieser Kunst, die die Grenze zwischen „oben“und „unten“aufgelöst hat. Im Prinzip sei Harings Bild-Wort-Alphabet ein Kommunikationssystem und quasi ein Vorläufer der heutigen, milliardenfach verwendeten „Emojis“, sagte Dieter Buchhart, der Kurator der ersten Österreich-Retrospektive in der Albertina. Ja, die Bilder „springen“einen förmlich an, sind aber in einem Kontext zu betrachten. Denn Keith Haring sah seine Kunst nicht losgelöst, er verband vielfach drängende Anliegen mit seinen Bildern.
Der 1958 in Pennsylvania geborene Haring erregte Aufsehen, als er ab 1980 in der New Yorker U-Bahn auf freien Plakatflächen seine Bilder hinterließ, immer auf der Hut vor der Polizei. Seit jeher zeichnete er drauf los, machte nie Skizzen. Picassos Sohn sagte: „Wie mein Vater“, als er Haring zusehen durfte, wie er Flächen bis an den Rand anfüllte, quasi spontan und präzise.
Kunst im öffentlichen Raum und in Ausstellungen machte Haring populär, einer der Höhepunkte der Anerkennung war 1982 die Teilnahme an der documenta 7 in Kassel.
Haring nahm Ereignisse in seiner Kunst auf und war politisch bewegt in bewegten Jahren. Auf den Mord an John Lennon reagierte er mit einem Loch in seinen Männchen. Die Apartheid oder das Reaktorunglück auf Three Mile Island waren Triebfedern seines Widerstands.
Er tat sich bei der Pop-Art um – Mickey Mouse kam oft vor, einmal sogar als „Andy Mouse“für seinen Freund Andy Warhol. Doch Keith Haring sei „alles andere als ein fröhlicher Künstler“gewesen, diagnostizierte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder am Mittwoch bei der Presseführung. Ja, Haring konnte auch ganz dramatisch sein.
Aids, damals genannt „Schwulenpest“, bewegte ihn schon, ehe er selbst 1988 von der HIV-Infektion betroffen war. Das späte Schaffen des jungen Mannes brachte ihn zu Dystopien, und wenn man vor den Haring-Bildern auf WarnwestenKnallgelb steht, die an Hieronymus Bosch erinnern und geradezu apokalyptische Visionen versammeln mit Monstern, Genitalien und Riesenspermien, könnte einen das Grauen packen.
Wer es leichter haben will, der gehe in den Raum mit fluoreszierenden Figuren, da fühlt man sich losgelöst von der Erdschwere. Ausstellung: