Salzburger Nachrichten

Keith Haring entdeckte für die Kunst den primitiven Code

Heuer wäre der US-Künstler 60 Jahre alt geworden, doch starb er mit 31 Jahren an Aids. Er hinterließ Einzigarti­ges.

- Keith Haring, „The Alphabet“, Albertina, Wien, bis 24. Juni.

WIEN. Er tauchte in den 1980ern wie aus dem Nichts auf, war von Beginn an unverkennb­ar. Er wurde ein Star der Kunstwelt: Keith Haring hat ein ikonisches Werk geschaffen, und als er 1990 im Alter von nur 31 Jahren an Aids starb, war er bereits weltberühm­t.

Und jeder fand – und findet – Zugang zu dieser Kunst, die die Grenze zwischen „oben“und „unten“aufgelöst hat. Im Prinzip sei Harings Bild-Wort-Alphabet ein Kommunikat­ionssystem und quasi ein Vorläufer der heutigen, milliarden­fach verwendete­n „Emojis“, sagte Dieter Buchhart, der Kurator der ersten Österreich-Retrospekt­ive in der Albertina. Ja, die Bilder „springen“einen förmlich an, sind aber in einem Kontext zu betrachten. Denn Keith Haring sah seine Kunst nicht losgelöst, er verband vielfach drängende Anliegen mit seinen Bildern.

Der 1958 in Pennsylvan­ia geborene Haring erregte Aufsehen, als er ab 1980 in der New Yorker U-Bahn auf freien Plakatfläc­hen seine Bilder hinterließ, immer auf der Hut vor der Polizei. Seit jeher zeichnete er drauf los, machte nie Skizzen. Picassos Sohn sagte: „Wie mein Vater“, als er Haring zusehen durfte, wie er Flächen bis an den Rand anfüllte, quasi spontan und präzise.

Kunst im öffentlich­en Raum und in Ausstellun­gen machte Haring populär, einer der Höhepunkte der Anerkennun­g war 1982 die Teilnahme an der documenta 7 in Kassel.

Haring nahm Ereignisse in seiner Kunst auf und war politisch bewegt in bewegten Jahren. Auf den Mord an John Lennon reagierte er mit einem Loch in seinen Männchen. Die Apartheid oder das Reaktorung­lück auf Three Mile Island waren Triebfeder­n seines Widerstand­s.

Er tat sich bei der Pop-Art um – Mickey Mouse kam oft vor, einmal sogar als „Andy Mouse“für seinen Freund Andy Warhol. Doch Keith Haring sei „alles andere als ein fröhlicher Künstler“gewesen, diagnostiz­ierte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder am Mittwoch bei der Presseführ­ung. Ja, Haring konnte auch ganz dramatisch sein.

Aids, damals genannt „Schwulenpe­st“, bewegte ihn schon, ehe er selbst 1988 von der HIV-Infektion betroffen war. Das späte Schaffen des jungen Mannes brachte ihn zu Dystopien, und wenn man vor den Haring-Bildern auf Warnwesten­Knallgelb steht, die an Hieronymus Bosch erinnern und geradezu apokalypti­sche Visionen versammeln mit Monstern, Genitalien und Riesensper­mien, könnte einen das Grauen packen.

Wer es leichter haben will, der gehe in den Raum mit fluoreszie­renden Figuren, da fühlt man sich losgelöst von der Erdschwere. Ausstellun­g:

 ??  ?? Keith Haring: „Ohne Titel“, 1983.
Keith Haring: „Ohne Titel“, 1983.

Newspapers in German

Newspapers from Austria