Volleyballtrainer spricht nach Missbrauch von „Kurzschluss“
Prozess am Wiener Landesgericht: Ein ehemaliger Volleyballtrainer soll sechs Mädchen missbraucht haben. Das jüngste Opfer war erst sechs Jahre alt – und die Enkelin des Mannes.
WIEN. Schwerer sexueller Missbrauch, Missbrauch von Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses sowie Herstellung und Besitz von kinderpornografischem Material: Wegen dieser Vorwürfe musste sich ein 61-jähriger Volleyballtrainer am Mittwoch am Wiener Landesgericht in einem Schöffenverfahren verantworten.
Der Beschuldigte war jahrelang als Trainer für einen der größten heimischen Volleyballvereine tätig. Auch in Schulen trainierte er überwiegend junge Mädchen. „In dieser Funktion genoss er nicht nur das Vertrauen der Kinder, sondern auch das ihrer Eltern“, sagte Staatsanwältin Julia Kalmar.
Doch seine freundliche Art war offenbar nur Fassade: 16 Jahre lang, seit dem Jahr 2000, soll er sechs Mädchen unsittlich berührt und – teils heimlich – fotografiert haben. Tatort war die Wohnung des Mannes. Auch bei Trainingslagern kam es zu Übergriffen. Bei der Polizei gaben 50 Mädchen und junge Frauen an, ebenso berührt worden zu sein.
Unter den Opfern war auch seine eigene Enkelin, die zum Tatzeitpunkt sechs Jahre alt war. Diese soll er insgesamt 42 Mal unsittlich berührt haben. Der Mann bekannte sich in allen Punkten der Anklage für schuldig. Die Aussagen der Kinder wurden per Video aufgenommen. Sie mussten nicht vor Gericht erscheinen. Die inkriminierten Handlungen bezeichnete der Mann als „Kurzschlusshandlungen“.
Meist dürfte der Angeklagte jedoch gezielt und nach demselben Schema vorgegangen sein: Er kümmerte sich besonders um ausgewählte Mädchen, half ihnen bei Schulproblemen, kaufte ihnen Geschenke wie Puppen und erschlich sich so nach und nach ihr Vertrauen. Erst dann soll er begonnen haben, sie zu sich einzuladen und zu streicheln, auch im Intimbereich.
Der geschiedene Mann ist Vater von drei Kindern. Ein Sohn sei bereits tragisch verstorben, erzählte er. Das sei der Anlass gewesen, dass er sich in die Arbeit mit Kindern gestürzt habe. Warum es denn zum Missbrauch gekommen sei, wollte Richterin Sonja Höpler-Salat wissen. „Es hat sich ergeben, weil wir so viel Zeit zusammen verbracht haben“, lautete die Antwort.
Ins Rollen war der Fall 2016 gekommen, weil der Beschuldigte beim Volleyball-Grand-Slam in Klagenfurt beobachtet worden war, als er ein Mädchen unangemessen berührt hatte. Zeuginnen erstatteten Anzeige, er wurde festgenommen.
„Ich habe einfach nicht nachgedacht“, versuchte er sich zu rechtfertigen. Anfangs beteuerte er, kein sexuelles Interesse an den Berührungen und Fotos gehabt zu haben. „Es war nicht so, dass ich erregt gewesen wäre oder das gebraucht habe“, sagte er, räumte allerdings ein, durch die Nähe zu den Mädchen „glücklich“gewesen zu sein. Erst auf die ausdrückliche Frage von Richterin Höpler-Salat, ob er pädophil sei, antwortete er schließlich doch mit „Ja“. Er wisse, dass er Hilfe von Therapeuten brauche.
„Der Angeklagte hat seine Stellung als Trainer und Aufsichtsperson missbraucht“, sagte Staatsanwältin Julia Kalmar bei ihrem Schlussplädoyer. Sie forderte eine Strafe, die eine generalpräventive, abschreckende Wirkung hat – „gerade in Zeiten wie diesen, wo Übergriffe in sportlichen Disziplinen Tagesthemen sind“. Verteidigerin Irene Pfeifer führte als mildernde Umstände an, dass ihr Mandant unbescholten und geständig gewesen sei.
Nach kurzer Beratung erging das Urteil: viereinhalb Jahre Haft für den 61-Jährigen. „Ihnen sollte klar sein, dass diese Mädchen in ihrem Sexualleben durch Ihre Entgleisungen viel zu verarbeiten haben“, sagte die Richterin. Sie erwähnte auch, dass der ehemalige Trainer „nicht bis zum Äußersten“, also einer Vergewaltigung, gegangen sei.
Der Angeklagte hatte sich im Prozess und in seiner abschließenden Stellungnahme bei seinen Opfern entschuldigt. Er könne nicht ungeschehen machen, was er getan habe – auch wenn er das wollte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bei einem Strafrahmen zwischen einem und zehn Jahren fiel es für die Staatsanwaltschaft zu milde aus; sie legte Berufung ein.