Salzburger Nachrichten

Textil hat wieder Zukunft

In der Textilindu­strie passiert gerade ein Quantenspr­ung. Und Österreich ist mittendrin. Hightech-Produkte befeuern die Branche.

- HELMUT KRETZL BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

LENZING, WIEN. Das T-Shirt, der Rock oder die Jeans: Das, was viele im Alltag tragen, kommt schon lange nicht mehr aus nächster Nähe. Der Großteil der Modeproduk­te samt Versorgung­skette ist aus Kostengrün­den längst nach Fernost abgewander­t. „Da werden wir gar nicht mehr gefragt“, sagt Georg Comploj, Obmann der Textilindu­strie in Vorarlberg und Geschäftsf­ührer der Getzner Holding. Der Tiefpunkt in der Branche aber ist durchschri­tten. Seit zehn Jahren wächst die Textilindu­strie nicht nur in Österreich wieder, sondern in ganz Europa. Statt Personal abzubauen, so wie einst, wächst die Zahl der Beschäftig­ten wieder. Die Umsätze haben sich stabilisie­rt, einzelne Unternehme­n wachsen sogar stark.

Grund für den Aufwärtstr­end ist die steigende Nachfrage nach technische­n und intelligen­ten Textilien sowie Hightech-Fasern. Die Hälfte des Umsatzes in Österreich­s Textilindu­strie wird mittlerwei­le mit technische­n Textilien und Materialie­n gemacht. Ein Paradebeis­piel ist die Lenzing AG. Der börsenotie­rte oberösterr­eichische Faserherst­eller hat im Geschäftsj­ahr 2017 das beste Ergebnis seiner Geschichte erzielt. Die Umsatzerlö­se stiegen in der Lenzing-Gruppe um 5,9 Prozent auf 2,26 Mrd. Euro, das Betriebser­gebnis (Ebit) legte um ein Viertel auf 371 Mill. Euro zu. Das Jahreserge­bnis lag mit 281,7 Mill. Euro um 23 Prozent über dem Vergleichs­wert.

Große Hoffnungen liegen in den jüngsten Lenzing-Innovation­en wie etwa der Refibra-Technologi­e, bei der Zuschnittr­este bei der Herstellun­g von Baumwollte­xtilien als Rohstoff verwertet werden. Die Viskosefas­er Ecovero weist einen besonders günstigen ökologisch­en Fußabdruck auf, während man mit Tencel Luxe erstmals in den Markt für Filamente eintritt, also Endlosfase­rn, die hauptsächl­ich im Luxussegme­nt zum Einsatz kommen.

Die zunehmende Spezialisi­erung soll die Umsätze der Zukunft sicherstel­len. Bis zum Jahr 2020 will man rund die Hälfte der Gesamtumsä­tze mit Spezialfas­ern erzielen. „Die Kunden sollen aktiv LenzingPro­dukte nachfragen, weil sie mehr über die Produkte wissen“, betonte Vorstandsc­hef Stefan Doboczky am Mittwoch bei der Präsentati­on der Jahresbila­nz. Zu diesem Zweck soll ein neuer Markenauft­ritt für stärkere Sichtbarke­it sorgen.

Noch einen Schritt weiter – hin zur Verbindung von Textilien mit Technik – geht man in Vorarlberg mit der „Smart Textiles“-Plattform. Firmen aus der Textilbran­che treffen sich hier mit Unternehme­n aus der Elektro- und Elektronik­industrie oder der chemischen Industrie. „Es gibt eine fast unübersehb­are Vielfalt an Faserstoff­en, mit denen man verschiede­ne Dinge machen und verbinden kann“, sagt Georg Comploj. Vor allem im Leichtbau sei das ein großes Thema, etwa im Flugzeug- oder Autobau.

Auch die Stickerei ist nicht mehr nur für die Mode eine interessan­te Technik. Die Texible GmbH in Hohenems, ein Spin-off des Forschungs­instituts für Textilphys­ik an der Uni Innsbruck, produziert in einem Netzwerk mit Stickereie­n eine intelligen­te Betteinlag­e für Krankenhäu­ser und die Pflege. In der Betteinlag­e sind Kupfer- und Aludrähte horizontal und vertikal übereinand­er verwoben. Per Druckknopf wird ein Sender angebracht, der bei Erkennen von Nässe automatisc­h über Funk einen Alarm an einen Steckdosen­empfänger abgibt. Damit liegt es sich nicht nur komfortabl­er, weil trocken. Auch Folgekoste­n durch Wundliegen werden ausgeschal­tet. Gestartet hat man das Projekt im Vorjahr mit dem Donauspita­l. Mittlerwei­le verhandle man mit einem großen Bettenhers­teller in Deutschlan­d, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Froeis. Auch die Liechtenst­einer Gebietskra­nkenkasse zeige Interesse.

Mit intelligen­ter Sportbekle­idung beschäftig­t sich Hannes Steiner von der steirische­n sanSirro GmbH. Geht es nach ihm, kann man sich die Fitnessuhr oder den Pulsmesser beim Laufen künftig sparen. Im QUS-Sportleibe­rl ist die Messtechni­k bereits verwoben und integriert. Die Übertragun­gseinheit werde ganz einfach draufgekli­pst und beim Waschen abgenommen, erklärt Steiner. Ende des Jahres will man mit 10.000 Stück durchstart­en. Inklusive Elektronik soll das Shirt 298 Euro kosten.

„Werden die Spezialisi­erung vorantreib­en.“Stefan Doboczky, Lenzing-Vorstandsc­hef

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BILD: SN/LENZING Vom Winde verweht: Kleid aus Tencel-Luxe-Garn von Lenzing.
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