Salzburger Nachrichten

Bildung ist der Hebel für Wachstum

Chefanlage­stratege der Deutschen Bank: „Ohne Wirtschaft­swachstum können Staaten nicht investiere­n.“

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SALZBURG. Über den langen Zeitraum seit dem Zweiten Weltkrieg betrachtet ist ein Trend zu abnehmende­n Wachstumsr­aten und zu niedrigere­r Inflation festzustel­len. „In den USA ist die reale Kaufkraft heute auf dem Niveau der 1970erJahr­e, in Europa sind wir noch nicht wieder auf dem Niveau von vor der Finanzkris­e“, sagt Markus Müller, Chefanlage­stratege im Wealth Management der Deutschen Bank.

Auch die Produktivi­tät steige nicht, sagt Müller, er spricht von einer „Knappheit der Arbeitspro­duktivität“. Das beschleuni­ge den technologi­schen Wandel, denn die Wirtschaft sei flexibel genug, die stagnieren­de Produktivi­tät durch mehr Digitalisi­erung und Automatisi­erung wettzumach­en. Die Deutsche Bank glaube zwar an die „Normalisie­rung der Inflation“, aber die expansive Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k „war bisher für die Realwirtsc­haft nicht so erfolgreic­h“. Die Konsequenz sei eine Politik, die sich kurzfristi­g „an Sachzwänge­n statt an langfristi­g nötigen Weichenste­llungen orientiert“, sagt Müller im SN-Gespräch. Das äußere sich etwa daran, dass auf „Sozialstaa­t statt auf soziale Marktwirts­chaft“gesetzt werde. Als Beispiel nennt Müller die Mietpreisb­remse in Deutschlan­d. Ökonomisch wäre es besser, den Bedürftige­n mit Mietunters­tützungen zu helfen, anstatt gesetzlich in das Preissyste­m einzugreif­en, kritisiert der Ökonom.

Besonders wichtig sei auch, „Chancengle­ichheit beim Zugang zu Bildung“zu gewährleis­ten, sagt Müller. „Wir bilden die Leute nicht mehr nach ihren Talenten aus.“Eine Gesellscha­ft brauche aber „nicht nur Akademiker, sondern auch viel technische­s Wissen“.

In den USA habe sich in einer Untersuchu­ng gezeigt, dass Kinder nach dem Besuch von Sommerferi­enlagern in der Schule viel besser gewesen seien, weil sie in den Camps ohne Lernzwang vieles ausprobier­en konnten. Hier zeige sich, dass Bildungsch­ancen auch davon abhängen, wie viel Geld die Eltern ausgeben können. Davon sei der Mittelstan­d am meisten betroffen. In den USA und in Schwellenl­ändern zeige sich eine wachsende Ungleichhe­it zwischen Arm und Reich.

Gerade Investitio­nen in Bildung und Infrastruk­tur könnten die Staaten aber nur leisten, wenn es Wirtschaft­swachstum gebe und dadurch Steuereinn­ahmen generiert werden. „Ohne Wachstum gibt es keine Investitio­nen“, sagt Müller. Derzeit beurteilt die Deutsche Bank die globale Wirtschaft­slage so: „Die Konjunktur ist weit gelaufen – wir sind zwischen Wende- und Höhepunkt“, sagt Müller. Bei Managerbef­ragungen wie dem Ifo-Index zeige sich, dass es nicht mehr die gleiche Dynamik gebe wie noch bis vor Kurzem. Es könne daher im zweiten Halbjahr 2018 zu einer vorübergeh­enden Verlangsam­ung kommen, eine Rezession (zwei aufeinande­rfolgende Quartale mit Minuswachs­tum) sei nicht unmittelba­r in Sicht, jedenfalls nicht vor der zweiten Jahreshälf­te 2019 oder 2020.

Die Aktienmärk­te würden durch die Niedrigzin­sen unterstütz­t, es trenne sich bei den Gewinnen der Unternehme­n aber die Spreu vom Weizen. Höhere Löhne und höhere Inflation ließen die Margen sinken. Daher sei es umso wichtiger, auf die Dividenden zu achten. „Wir werden heuer am meisten über Ökonomie lernen“, sagt Müller. Es werde zu Kurskorrek­turen kommen, die könne man zum Wiedereins­tieg nutzen, doch dürfe man die Ausschläge nicht unterschät­zen. Die größten Risiken gebe es heuer bei Anleihen.

„Wir brauchen nicht nur Akademiker.“Markus Müller, Deutsche Bank

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