Salzburger Nachrichten

Kein Platz für stille Genießer

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Es ist verständli­ch, dass sich viele über den Lärm aufregen, wenn in Gondeln ununterbro­chen in einer Lautstärke massenhand­yfoniert wird, als stünde der Weltunterg­ang unmittelba­r bevor. Überrasche­nd ist aber der Umstand, dass diese Lärmempfin­dlichkeit bei den meisten „Opfern“scheinbar plötzlich wie weggeblase­n ist, wenn sich die Gondeltüre öffnet und sie sich ins Skiparadie­s stürzen.

Denn draußen geht die akustische Umweltvers­chmutzung ja meistens ohne Unterbrech­ung weiter. Von der Skihütte neben der Liftstatio­n tönt ein deutscher Schlager in einer Lautstärke, dass man den Bass förmlich im Pulverschn­ee sehen kann, und hat man den Sessellift, auf dessen Stützen ebenfalls Lautsprech­er montiert sind, die die Hits der 80er und 90er ins Gebirge blasen, hinter sich gelassen und schwingt endlich über die scheinbar rettende Kuppe, gerät man in die brachialvo­lkstümlich­e Schallzone der nächsten Germknödel-Terrasse. Mein absolutes diesbezügl­iches Highlight im heurigen Winter war ein mit den üblichen KunstharzP­lastiken von Comicfigur­en bestückter Übungshüge­l für Kinder, der – und das ist kein Witz! – um halb zehn Uhr vormittags mit stampfende­r Technomusi­k beschallt wurde. Will man den wehrlosen Kleinen damit schon im Vorschulal­ter den Stumpfsinn in die Gehörgänge hämmern?

Diese sinnlose Dauerbelär­mung der (im weitesten Sinne) Natur ist Unkultur in Reinform und einer der Gründe, wieso ich fast ganz auf Schneeschu­hwandern und leichte Skitouren umgestiege­n bin – und so wie es aussieht, bin ich da bei Weitem nicht der Einzige. Beschallun­gsfreie Skigebiete oder zumindest akustisch erträglich­e Teilreserv­ate für stille Genießer wären so gesehen vielleicht überlegens­werte Marktnisch­en.

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Fritz Messner

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