Zwei Hühner, zwei Männer, ein Gedanke
Was kommt raus, wenn ein Katalane und ein Andalusier auf zwei Hühner treffen? Ein Hendl-light-Dinner und die Einsicht, dass Diogenes ziemlich viel versäumt hat.
Eines vorweg: Es gibt keine spanische Küche. Genauso wenig wie es eine französische Küche gibt. In Spanien muss ja wegen der Vielfalt der Bevölkerung sogar die Hymne ohne Text auskommen, damit sich nur ja keine Region unterrepräsentiert vorkommt. Dafür kann man in den Küchen der Regionen fühlen, riechen und schmecken, dass die Basis jeder friedlichen Gesellschaft ein gesunder Appetit und Lebenskunst ist.
Heute fühlen wir den Katalanen und den Andalusiern auf den Zahn. Wir haben den aus Barcelona stammenden Ramon Torra und den aus Malaga stammenden Mateo Ordonez gebeten, uns mit jeweils einem Gericht aus ihrer Heimat zu überraschen. Die Kochstunde findet in Mateos Bodega Divinotinto auf dem Müllner Hügel statt. Schon der Name der Bodega macht klar, was der Gast hier erwarten darf: „Göttlicher Roter.“Mit Politik hat das gar nichts zu tun. Obwohl angemerkt werden muss: Beide haben mit dem Franco-Regime nicht das Geringste am Hut. Womit wir immerhin die erste Gemeinsamkeit der beiden aufgespürt hätten. Mit dem Namen „Göttlicher Roter“möchte Mateo nur dem Rotwein die Ehre erweisen. „Er ist das Blut der Erde“, schwärmt er. „Rotwein ist ein Lebensmittel“, fügt Ramon trocken hinzu. Womit wir schon die zweite Gemeinsamkeit der beiden aufgedeckt hätten.
Dass die Stimmung in Mateos Bodega von Grund auf entspannt ist, das dürfte dem Artikel 1 des Grundgesetzes der „Republik Divinotinto“zu verdanken sein. Dieser ist in großen Lettern über der Bar zu lesen: Prohibido hablar de politica. Hier ist Politisieren also verboten. Das fördert die Brüderlichkeit.
Welche Gerichte haben die beiden nun mitgebracht? Mateo nimmt vor seiner Antwort noch rasch die Haltung eines todesmutigen Toreros an: „Es gibt Huhn, gut?“Gut.
Ramon lehnt sich lässig an die Bar und sagt: „Und von mir gibt es ein gutes Huhn.“Et voilà: Die nächste Gemeinsamkeit der beiden. Und dennoch lernen wir: Ein Hühnergericht ist kein Hühnergericht ist kein Hühnergericht. Denn Ramon zaubert tatsächlich ein Fertiggericht aus seinem Korb. Es befindet sich in einer großen Auflaufform. „Haxerl und Schenkerl“, sagt Ramon. „Über Nacht in Portwein, Zitronensaft, Honig und Kräutern mariniert.“Schon beim Anblick läuft uns das Wasser im Mund zusammen. „Das Wichtigste ist die Qualität des Huhns“, sagt Ramon und schiebt es lässig ins Backrohr. Dann fragt er: „Was gibt es zu trinken?“Mateo schenkt ihm einen Priorat aus Katalonien ein und fragt: „Gut?“Ramon: „Sehr gut.“
In dieser superguten Atmosphäre legt jetzt Mateo so richtig los. „Für zwischendurch mach ich Stockfisch-Kroketten“, sagt er. Dieses Gericht ist portugiesischen Ursprungs – und unsere nächste Lektion: Wer beim Kochen nicht über den Tellerrand schaut, der bringt maximal englische Küche zusammen.
Mateo widmet sich nun seinem andalusischen Hühnergericht. Das ist Hühnerleber mit gerösteten Zwiebeln, geschmorten Kartoffeln und einem Wachtelei. Bei Ramons Rezept kommen wir zum Schluss: Er kocht das Beste vom Huhn ganz einfach. Mateo wiederum kocht aus einfachen Zutaten das Beste. Oder anders ausgedrückt: Ramon hält sich an die Devise des katalanischen Malers Salvador Dalí: „Einfach ist genial.“Mateo wiederum erinnert inmitten all seiner Zutaten und Kochwerkzeuge an den gebürtigen Andalusier Pablo Picasso. Der beschrieb seine Arbeitsweise so: „Ich suche nicht, ich finde.“Und zwischendurch schwärmen die beiden ausdauernd über Schweinefüße, die im eigenen Fett geschmort werden.
Mateo hat auch noch einen Tipp, wie Leber perfekt gebraten wird: „Man muss ein Stück opfern und in das halbwegs heiße Fett in die Pfanne geben. Wenn dieses Stück zu brutzeln beginnt, dann ist die Hitze perfekt.“Die Pfanne muss dann gut gerüttelt werden, damit die Leber nicht anklebt.
Und noch etwas lernen wir: Die wichtigste Zutat aller regionaler Küchen ist Weltoffenheit. Es heißt, 80 Prozent der heute in Spanien verwendeten Zutaten sind arabischen Ursprungs. Etwa Reis, Mandeln, Orangen, Kapern, Safran und vieles mehr. Als Ramon und Mateo das Wort „Mandeln“hören, seufzen sie: „Mmmh: Schweinefüße mit Mandelsoße.“Die Speisen werden aufgetragen. Zur Leber gibt es Bier („so mögen es die jungen Leute“) und Sherry („so mag es meine Mama“). Zu den Hühnerkeulen gibt es einen göttlichen Roten. Sie essen, trinken, plaudern und blinzeln in die Sonne. Den Vergleich mit Diogenes lassen sie aber nicht zu. Mateo nimmt einen Schluck Rotwein und antwortet: „Diogenes hat viel verpasst. Denn der hat in einem leeren Fass gewohnt.“ Divinotinto, Müllner Hauptstraße 26, Salzburg, Tel.: 0676/3988 218, geöffnet ab 17 Uhr, gekocht wird bis 23.28 Uhr.