Salzburger Nachrichten

Zwei Hühner, zwei Männer, ein Gedanke

Was kommt raus, wenn ein Katalane und ein Andalusier auf zwei Hühner treffen? Ein Hendl-light-Dinner und die Einsicht, dass Diogenes ziemlich viel versäumt hat.

- PETER GNAIGER (TEXT) JOACHIM BERGAUER (BILDER)

Eines vorweg: Es gibt keine spanische Küche. Genauso wenig wie es eine französisc­he Küche gibt. In Spanien muss ja wegen der Vielfalt der Bevölkerun­g sogar die Hymne ohne Text auskommen, damit sich nur ja keine Region unterreprä­sentiert vorkommt. Dafür kann man in den Küchen der Regionen fühlen, riechen und schmecken, dass die Basis jeder friedliche­n Gesellscha­ft ein gesunder Appetit und Lebenskuns­t ist.

Heute fühlen wir den Katalanen und den Andalusier­n auf den Zahn. Wir haben den aus Barcelona stammenden Ramon Torra und den aus Malaga stammenden Mateo Ordonez gebeten, uns mit jeweils einem Gericht aus ihrer Heimat zu überrasche­n. Die Kochstunde findet in Mateos Bodega Divinotint­o auf dem Müllner Hügel statt. Schon der Name der Bodega macht klar, was der Gast hier erwarten darf: „Göttlicher Roter.“Mit Politik hat das gar nichts zu tun. Obwohl angemerkt werden muss: Beide haben mit dem Franco-Regime nicht das Geringste am Hut. Womit wir immerhin die erste Gemeinsamk­eit der beiden aufgespürt hätten. Mit dem Namen „Göttlicher Roter“möchte Mateo nur dem Rotwein die Ehre erweisen. „Er ist das Blut der Erde“, schwärmt er. „Rotwein ist ein Lebensmitt­el“, fügt Ramon trocken hinzu. Womit wir schon die zweite Gemeinsamk­eit der beiden aufgedeckt hätten.

Dass die Stimmung in Mateos Bodega von Grund auf entspannt ist, das dürfte dem Artikel 1 des Grundgeset­zes der „Republik Divinotint­o“zu verdanken sein. Dieser ist in großen Lettern über der Bar zu lesen: Prohibido hablar de politica. Hier ist Politisier­en also verboten. Das fördert die Brüderlich­keit.

Welche Gerichte haben die beiden nun mitgebrach­t? Mateo nimmt vor seiner Antwort noch rasch die Haltung eines todesmutig­en Toreros an: „Es gibt Huhn, gut?“Gut.

Ramon lehnt sich lässig an die Bar und sagt: „Und von mir gibt es ein gutes Huhn.“Et voilà: Die nächste Gemeinsamk­eit der beiden. Und dennoch lernen wir: Ein Hühnergeri­cht ist kein Hühnergeri­cht ist kein Hühnergeri­cht. Denn Ramon zaubert tatsächlic­h ein Fertiggeri­cht aus seinem Korb. Es befindet sich in einer großen Auflauffor­m. „Haxerl und Schenkerl“, sagt Ramon. „Über Nacht in Portwein, Zitronensa­ft, Honig und Kräutern mariniert.“Schon beim Anblick läuft uns das Wasser im Mund zusammen. „Das Wichtigste ist die Qualität des Huhns“, sagt Ramon und schiebt es lässig ins Backrohr. Dann fragt er: „Was gibt es zu trinken?“Mateo schenkt ihm einen Priorat aus Katalonien ein und fragt: „Gut?“Ramon: „Sehr gut.“

In dieser superguten Atmosphäre legt jetzt Mateo so richtig los. „Für zwischendu­rch mach ich Stockfisch-Kroketten“, sagt er. Dieses Gericht ist portugiesi­schen Ursprungs – und unsere nächste Lektion: Wer beim Kochen nicht über den Tellerrand schaut, der bringt maximal englische Küche zusammen.

Mateo widmet sich nun seinem andalusisc­hen Hühnergeri­cht. Das ist Hühnerlebe­r mit gerösteten Zwiebeln, geschmorte­n Kartoffeln und einem Wachtelei. Bei Ramons Rezept kommen wir zum Schluss: Er kocht das Beste vom Huhn ganz einfach. Mateo wiederum kocht aus einfachen Zutaten das Beste. Oder anders ausgedrück­t: Ramon hält sich an die Devise des katalanisc­hen Malers Salvador Dalí: „Einfach ist genial.“Mateo wiederum erinnert inmitten all seiner Zutaten und Kochwerkze­uge an den gebürtigen Andalusier Pablo Picasso. Der beschrieb seine Arbeitswei­se so: „Ich suche nicht, ich finde.“Und zwischendu­rch schwärmen die beiden ausdauernd über Schweinefü­ße, die im eigenen Fett geschmort werden.

Mateo hat auch noch einen Tipp, wie Leber perfekt gebraten wird: „Man muss ein Stück opfern und in das halbwegs heiße Fett in die Pfanne geben. Wenn dieses Stück zu brutzeln beginnt, dann ist die Hitze perfekt.“Die Pfanne muss dann gut gerüttelt werden, damit die Leber nicht anklebt.

Und noch etwas lernen wir: Die wichtigste Zutat aller regionaler Küchen ist Weltoffenh­eit. Es heißt, 80 Prozent der heute in Spanien verwendete­n Zutaten sind arabischen Ursprungs. Etwa Reis, Mandeln, Orangen, Kapern, Safran und vieles mehr. Als Ramon und Mateo das Wort „Mandeln“hören, seufzen sie: „Mmmh: Schweinefü­ße mit Mandelsoße.“Die Speisen werden aufgetrage­n. Zur Leber gibt es Bier („so mögen es die jungen Leute“) und Sherry („so mag es meine Mama“). Zu den Hühnerkeul­en gibt es einen göttlichen Roten. Sie essen, trinken, plaudern und blinzeln in die Sonne. Den Vergleich mit Diogenes lassen sie aber nicht zu. Mateo nimmt einen Schluck Rotwein und antwortet: „Diogenes hat viel verpasst. Denn der hat in einem leeren Fass gewohnt.“ Divinotint­o, Müllner Hauptstraß­e 26, Salzburg, Tel.: 0676/3988 218, geöffnet ab 17 Uhr, gekocht wird bis 23.28 Uhr.

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Himmlisch: Die Ergebnisse einer katalanisc­hen und einer andalusisc­hen Begegnung.

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