Salzburger Nachrichten

AMS klagt über schwierige Jobvermitt­lung für Migranten

„Angst“vor „gewaltbere­iten“Tschetsche­nen. Jobs, die aus kulturelle­n Gründen nicht angenommen werden. All das wird in einem internen AMS-Papier beschriebe­n.

- ANDREAS KOLLER

Ein interner Revisionsb­ericht des AMS zeichnet ein ernüchtern­des Bild, was die Vermittlun­g von Migranten in den Arbeitsmar­kt betrifft. Demnach seien es in vielen Fällen kulturelle Hürden, die einer Integratio­n ins Berufslebe­n entgegenst­ehen. Laut diesem Bericht gibt es bei AMS-Beratern „übereinsti­mmende Wahrnehmun­gen“, wonach tschetsche­nische AMS-Kunden „überdurchs­chnittlich oft gewaltbere­it“seien. Dies löse teilweise „Angst bei Beratern und Führungskr­äften“aus, die mitunter „sogar bedroht werden“. Tschetsche­nische Männer seien für die Reinigungs­branche nicht vermittelb­ar, bei Syrern, Afghanen und Tschetsche­nen sei die Vermittlun­g in die Gastronomi­e schwierig, „weil der Serviceged­anke abgelehnt wird“.

AMS-Chef Johannes Kopf betonte im SN-Gespräch, dass es sich bei den Aussagen um Einzelbeob­achtungen von AMS-Beratern handle, die keine Aussagekra­ft über die Gesamtsitu­ation hätten. Sinn des Revisionsb­erichts sei es, aus den von den AMSMitarbe­itern angesproch­enen Pro- blemen Lösungen abzuleiten. Laut Bericht sind Migranten oft in Branchen mit hohem Arbeitslos­igkeitsris­iko beschäftig­t, weshalb die Wahrschein­lichkeit, den Job zu verlieren, überdurchs­chnittlich hoch sei. Dies belegen auch die Zahlen. In Wien haben 61 Prozent der AMS-Kunden Migrations­hintergrun­d, in ganz Österreich sind es 42 Prozent.

„Revisionsb­ericht Nr. 2 – 2017“steht auf dem Deckblatt, darunter: „Betreuung von Personen mit Migrations­hintergrun­d“. Das Konvolut ist 46 Seiten stark, es wurde im Juni des Vorjahres von der Revisionsa­bteilung des Arbeitsmar­ktservice (AMS) verfasst – und es ist nicht für die Öffentlich­keit bestimmt. Der Revisionsb­ericht beruht auf Interviews mit AMS-Betreuern und -Führungskr­äften in den Bundesländ­ern Wien, Salzburg, Vorarlberg und Oberösterr­eich. Er enthält brisante Aussagen über die Schwierigk­eiten, Personen mit Migrations­hintergrun­d in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n.

Besonders die „kulturelle­n Unterschie­de“sind es, die den AMSKundenb­eratern zu schaffen machen. Die Autoren des Berichts räumen ein, dass die einschlägi­gen Aussagen „durch die allgegenwä­rtige Political Correctnes­s auch angreifbar“seien. Dennoch habe man sie in den Bericht aufgenomme­n – als Einzelauss­agen, die keine generelle Aussagekra­ft über die Gesamtsitu­ation zuließen.

Demnach gebe es „übereinsti­mmende Wahrnehmun­gen“, dass tschetsche­nische AMS-Kunden „überdurchs­chnittlich oft gewaltbere­it“seien. Teilweise herrsche „Angst bei Beratern und Führungskr­äften, die sogar bedroht werden“. Im Zweifel würde seitens des AMS „nichts unternomme­n, was beim Kunden Verärgerun­g hervorruft (zum Beispiel Vermittlun­gsvorschlä­ge oder Kurszubuch­ung)“. Kulturelle Vorbehalte seitens einiger Migranteng­ruppen gebe es auch gegen die Aufnahme bestimmter Tätigkeite­n. So seien „Tschetsche­nen nicht in die Reinigungs­branche vermittelb­ar (,Putzen ist Frauensach­e‘)“. Bei „Tschetsche­nen, Syrern und Afghanen“sei die „Vermittlun­g in soziale Berufe oder in die Gastronomi­e schwierig, weil der Serviceged­anke abgelehnt wird“. „Bei Moslems verhindern Väter und Ehemänner soziale und berufliche Integratio­n, sie treffen alle Entscheidu­ngen für Kinder und Frauen.“

„Bei Moslems hat Bildung einen geringen Stellenwer­t, es steht die sofortige Arbeitsauf­nahme im Vordergrun­d“, um die Familie zu unterstütz­en.

„Moslemisch­e Mädchen bis 18 Jahre dürfen nicht an Ausbildung­smaßnahmen teilnehmen, weil argumentie­rt wird, dass sie nicht mit Männern in Kontakt kommen dürfen.“

„Ausländisc­he Männer, vor allem moslemisch­en Glaubens, wollen nicht mit einer Beraterin sprechen und wünschen einen Wechsel in der Betreuung.“

„Interessan­t wird die Situation insbesonde­re dann, wenn der Kunde trotz Absolvieru­ng einiger Deutschkur­se die Sprache noch immer nicht erlernt hat oder dies vorgibt.“

Beim Auftreten von Dolmetsche­rn, die einzelne AMS-Kunden begleiten, hätten die AMS-Vermittler den „Verdacht, dass nicht der wirkliche Kundenwuns­ch übersetzt“werde. „Bei Männern, die für Frauen übersetzen, ist nicht wirklich klar, ob die Frauen wirklich das wollen, was der Mann vorgibt zu übersetzen.“

So weit die Aussagen einzelner AMS-Betreuer, aus denen – darauf legt AMS-Chef Johannes Kopf auf Anfrage der SN Wert – nicht auf das große Ganze geschlosse­n werden könne.

Kopf verweist auch darauf, dass der Revisionsb­ericht nicht nur einen Problemauf­riss darstelle, sondern auch etliche Lösungsvor­schläge biete. In der Landesgesc­häftsstell­e Oberösterr­eich wurde bereits ein Migrations­beauftragt­er installier­t, es gebe auch einen Expertenra­t für dieses Thema. Vorarlberg habe eine „Koordinati­onsstelle für Migration“geschaffen. In Wien gebe es ein „Diversity Management­Team“. Teilweise entstünden durch die Zuständigk­eit mehrerer Behörden bürokratis­che Schwierigk­eiten, die bereinigt werden müssten. Es gebe Weiterbild­ungssemina­re für Führungskr­äfte, auch bemühe man sich um die Aufnahme von AMSMitarbe­itern mit Migrations­hintergrun­d, heißt es im Bericht.

Auch grundsätzl­ich will Kopf den Revisionsb­ericht als Beitrag zur Problemlös­ung verstanden wissen. Das AMS habe rund 6000 Mitarbeite­r und berate im Jahr eine Million Menschen, die Revisionsa­bteilung habe die Aufgabe, gezielt Problemfel­der zu definieren und Verbesseru­ngsvorschl­äge zu machen.

Die Sorge etlicher AMS-Mitarbeite­r, im Umgang mit Migranten der Diskrimini­erung bezichtigt zu werden, führe laut Revisionsb­ericht übrigens mitunter zu einer umgekehr- ten Diskrimini­erung. Es würde mit „bestimmten Kundengrup­pen“nachsichti­ger umgegangen, „weil der/die einzelne Berater/-in Angst davor hat, dass sich ausländisc­he Kunden oder Netzwerke über das AMS und dessen angebliche Benachteil­igung bestimmter Kunden und Kundinnen“beschweren – was dann zur Diskrimini­erung anderer Kunden führe.

Was die Fallzahlen betrifft, handelt es sich um ein nicht unerheblic­hes Problem. Österreich­weit haben 42 Prozent der AMS-Kunden einen Migrations­hintergrun­d, in Wien sind es sogar 61 Prozent.

„Beraten eine Million Menschen.“Johannes Kopf, AMS-Chef

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BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Ein interner Bericht des AMS zeichnet ein düsteres Bild, was die Vermittlun­g von Migranten betrifft.
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