„Glück ist völlig überbewertet“
Ständige Hochgefühle sind eine Illusion. Der perfekten Laune hinterherzuhetzen stresst. Waru md eshalb auch heute, a mW eltglückstag, ein bisschen Unglück gar nicht schadet.
Muss es immer das absolute Glück sein – oder reicht weniger auch? Autorin, Philosophin und Theologin Katharina Ceming von der Universität Augsburg weiß, wie selbst aus Grantlern noch frohe Zeitgenossen werden können. Wenn diese es denn zulassen. SN: Ist Glück purer Zufall?
Katharina Ceming: Die kleinen Glücksmomente, die uns so oft spontan im Alltag begegnen, ereignen sich meist zufällig. Ein größeres Glücksgefühl hingegen hat mit einer inneren Haltung zu tun. Da ist dann nicht mehr alles dem Zufall allein überlassen. SN: Kann man das Glück also wie ein Magnet anziehen? In gewisser Weise schon. Es gibt Menschen, die die große Fähigkeit haben, die kleinen Glücksmomente stärker wahrzunehmen als andere. Sie haben eine sehr ausgeprägtpositive Haltung dem Leben gegenüber. Sie sind fähig, sich überraschen zu lassen und diese kleinen Ereignisse wertzuschätzen. Dabei würde ich aber weniger von Glück reden. Diesen Ausdruck halte ich für völlig überbewertet. SN: Was kann besser sein als Glück? Zufriedenheit. SN: Das müssen Sie jetzt bitte erklären. Zufrieden zu sein ist wesentlich unaufgeregter, als das ewige Streben nach dem perfekten Glück. Es stresst, dauernd happy sein zu wollen. Oder zu müssen. Das Stadium der Zufriedenheit reicht daher wirklich aus. Es entschleunigt, und das tut gut.
SN: Schafft es jeder, in den Zustan dd er Zufriedenheit zu gelangen? Wir alle kennen Menschen, die bei den schönsten Dingen noch das Haar in der Suppe finden. Das ist anscheinend die Unfähigkeit, die Glücksmomente wahrzunehmen, die uns geschenkt werden. Wenn der Lebensgrundsatz einer Person lautet: „Mir wird nichts geschenkt im Leben“, ist das eine Haltung, mit der man weniger entspannt ist.
SN: Gibt es einen Weg, auf de mm an vom Grantler zum zufriedeneren Menschen wird? Da gibt es eine schöne Übung für den Abend: Erinnern Sie sich vor dem Einschlafen an drei Dinge, die an diesem Tag beglückend waren. Das kann ein nettes Wort sein oder die Kollegin, die Ihnen einen Kaffee vom Automaten mitgebracht hat. Überlegen Sie dann, was Ihr Anteil an der Situation war. Das nette Wort haben Sie wohl bekommen, weil Sie es verdient haben. Ihr Anteil am Kaffee ist vielleicht nicht ersichtlich, aber Sie haben sich auf die nette Geste eingelassen. Sie konnten es ebenso wertschätzen wie die zehn Minuten Sonne in der Mittagspause. Noch etwas: Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen nicht Ihre positive Energie durch permanentes Nörgeln absaugen. Es gibt ja solche, die immer nur das Negative sehen. Schauen sie sich lieber Lebensstrategien der eher Positiven ab. SN: Was brauchen wir als Basis, um zufrieden zu sein? Etwas, das dem Leben Sinn gibt. Und soziale Beziehungen. Das ist das Rezept. Oft macht es uns zufrieden, wenn wir das Gefühl haben, dass wir unser Leben einigermaßen eigenständig bestimmen können. Dass nicht die Arbeit alles vorgibt. Wir alle wollen ein Leben führen können, das den eigenen Talenten und Ressourcen in etwa entspricht. SN: Tut ein bisschen Unglück in all dem Glück gut? Es ist die größte Illusion, dauernd glücklich zu sein. Der Mensch braucht das Unglück nicht, aber dass etwas nicht gelingt, ist integraler Bestandteil des Lebens. Was positiv denkende Leute von jenen mit negativer Sicht unterscheidet? Auch glückliche Menschen erleben etwa Trauerfälle. Aber sie haben Strategien, um so einen Schmerzpunkt nach und nach auch wieder verlassen zu können. Soziale Beziehungen sind dabei etwas ganz Wichtiges. Sie haben Familie sowie Freundeskreis und sind in der Lage, sich dort Hilfe zu organisieren. SN: Was macht das Leben leer, was macht es voller? Zu viel Input schadet uns. Das ist heute wegen der Digitalisierung Fakt. Derzeit glauben wir noch, dass wir alles online ausprobieren müssen. Das ist ein Stressor. Wir sind die erste Generation, die lernen muss, dass weniger mehr ist. Wir brauchen die Kunst des Entspannens, Loslassens. Zeiten des Rückzugs sind wichtig. Dafür muss man nicht gleich ins Kloster. Lieblingsplätze wie ein Spazierweg oder ein Café sind ideal, um immer wieder etwas abzuschalten und in seine Mitte zurückzukehren. SN: Wo sin dS ie zufrieden? In Griechenland. Ich bin ein absoluter Sonnenmensch. Daheim bin ich froh, wenn ich in der Natur spazieren gehen kann.