Börsen haben noch Luft nach oben
Konjunkturzyklus nähert sich langsam dem Höhepunkt, Volatilität steigt.
WIEN. Seit Jahren kennen die Aktienmärkte hauptsächlich eine Richtung: Sie gehen nach oben, die Kurse steigen. Der aktuelle Bullenmarkt in den USA hat nach der Finanzkrise 2009 begonnen, dauert nun schon 108 Monate an und hat die Börsenkurse um insgesamt 305 Prozent steigen lassen. Innerhalb von neun Jahren haben sich die Niveaus also vervierfacht.
Aber viele Anleger und Analysten fragen sich, wie lange diese Entwicklung noch so weitergehen kann, ob die Kurse sich nicht in eine Blase hineinbewegen? Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), sieht „keine Gefahr, dass der Börsenzyklus in sich zusammenfällt“. Anders als früher seien die Konjunkturzyklen heute länger und flacher. Und Brezinschek sieht aktuell die Kursentwicklung unterstützt durch die steigende Konjunktur sowie gute Aussichten für die Unternehmensgewinne.
Ein Blick auf Wirtschaftsdaten und -prognosen mehrerer Länder zeigt freilich, dass sich der Konjunkturzyklus seinem Höhepunkt nähert oder ihn fallweise bereits erreicht haben könnte. Brezinschek verweist auf die Statistik, wonach es nach einem Hoch noch durchschnittlich sieben Monate bis zum Einsetzen einer Rezession gedauert hat. Doch auch bis dahin seien noch zweistellige Wachstumsraten an den Finanzmärkten möglich.
Grundsätzlich hält der Analyst ein Plus von 10 bis 15 Prozent an den Börsen für möglich – ebenso groß sei aber auch das Abwärtspotenzial. Wie überhaupt die Schwankungsbreite oder Volatilität größer werde. Die in den USA bereits eingesetzte und in Europa bevorstehende Wende in der Geldpolitik – in Form abnehmender Liquiditätszufuhr beziehungsweise steigender Leitzinsen – könnte die Märkte beeindrucken. Insbesondere dann, wenn der neue Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, heuer vier Mal statt wie bisher erwartet drei Mal die Zinsen nach oben schraubt.
Mehr Sorgen macht Brezinschek aber die von den USA geschwungene „Protektionismuskeule“. Sie berge hohes Gefährdungspotenzial und „könnte die positive Stimmung der Unternehmen einbremsen“, wenn sich die Situation zu einem Handelskrieg mit gegenseitigen Zollschranken aufschaukeln sollte. Auch der Brexit berge Unsicherheiten, der Fachkräftemangel könnte das Wachstumspotenzial dämpfen. In Summe habe 2019 mehr Potenzial nach unten als nach oben.