Salzburger Nachrichten

Für die Gletscher ist es zu spät

Die Eisgigante­n werden auf der ganzen Welt verschwind­en. Mit ihnen auch die Artenvielf­alt in der Pflanzen- und Tierwelt. Forscher erklären die sehr langsamen Prozesse im Eis.

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Sie sind gigantisch. Mit unvorstell­barer Kraft dringen Gletscher in die Landschaft ein. Doch so beeindruck­end diese Eisriesen auch sind – ihre Tage scheinen gezählt zu sein. „Das weitere Abschmelze­n der Gletscher im laufenden Jahrhunder­t kann nicht mehr verhindert werden“, schreiben Klimatolog­en und Geowissens­chafter der Universitä­ten Bremen und Innsbruck in ihrer aktuellen Studie. Nicht einmal dann, wenn alle Länder ihre Klimaziele einhielten und die Emissionen, die unsere Welt immer wärmer werden lassen, gestoppt würden. Das ist das Ergebnis von Klimatolog­en und Geowissens­chaftern der Universitä­ten Bremen und Innsbruck.

Dass die Gletscher einmal mehr, dann wieder weniger, aber immer deutlicher abschmelze­n ist leider traurige Realität. Der Vernagtfer­ner im Tiroler Ötztal zum Beispiel hat in den vergangene­n 150 Jahren zwei Drittel seiner Eismasse eingebüßt. Allein in einem heißen Sommer verliert er bis zu vier Meter durch Schmelzwas­ser.

Im Pariser Abkommen einigten sich 195 Länder auf die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschni­ttstempera­tur auf deutlich unter zwei Grad Celsius, wenn möglich auf 1,5 Grad über dem vorindustr­iellen Niveau. Mit dieser Maßnahme sollen die Folgen des stets voranschre­itenden Klimawande­ls wenigstens halbwegs gemildert werden. Doch für die Gletscher wird diese Begrenzung nicht reichen. Jedenfalls laut Berechnung­en der Forscher, die ihre Studie nun im Fachjourna­l „Nature Climate Change“veröffentl­ichten.

Die Auswirkung­en einer weltweiten Gletschers­chmelze sind groß. Unter anderem ist der Meeresspie­gel davon betroffen. „Wir haben alle Gletscher weltweit ohne Eisschilde der Antarktis und Grönlands in verschiede­nen Klimaszena­rien betrachtet“, erklärt Georg Kaser vom Institut für Atmosphäre­n- und Kryosphäre­nwissensch­aften der Universitä­t Innsbruck.

Ergebnis: Für die Entwicklun­g der Gletschers­chmelze in den nächsten 100 Jahren macht es keinen signifikan­ten Unterschie­d, ob die Durchschni­ttstempera­tur um zwei oder nur 1,5 Grad steigt. Das spiele eine frustriere­nd geringe Rolle, sagt einer der Studieners­teller und Geowissens­chafter Ben Marzeion aus Bremen. Er berechnete, dass 36 Prozent des heute noch in Gletschern gespeicher­ten Eises langfristi­g auch ohne weiteren Ausstoß von Treibhausg­asen schmelzen wird. Das bedeutet, dass gut ein Drittel des heute noch vorhandene­n Gletschere­ises auch mit den ambitionie­rtesten Maßnahmen bereits nicht mehr zu retten ist.

Gletscher reagieren langsam auf Umweltverä­nderungen. Deshalb werden sie sich weit über das 21. Jahrhunder­t hinaus verändern, auch wenn die Menschheit den Klimawande­l halbwegs in den Griff bekommen hat. Die Wissenscha­fter haben errechnet, dass jedes Kilogramm Kohlendiox­id, das wir heute ausstoßen, langfristi­g 15 Kilogramm Gletschere­is schmelzen lässt.

Wenn Gletscher tauen, verändern sie die Landschaft. Einst grünende Täler, etwa in den Alpen, verwandeln sich in öde Gesteinswü­sten, in denen sich nur noch wenige Lebewesen wohlfühlen. Der Grund für diese Verödung ist die Wasserknap­pheit, weil keine Gletscherb­äche mehr fließen. Verschwind­en die Gletscher, verschwind­et daher auch ein Teil der Arten. Der vormals dauerhaft gefrorene Boden der Alpen wird instabil. Erdrutsche und Bergabgäng­e sind die Folge.

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