America great again? Ein Handelskrieg ist das falsche Mittel
Dass sich die USA bei den Strafzöllen auf die nationale Sicherheit berufen, ist absurd – und eine Gefahr für die Existenz der WTO.
Der Handelskrieg läuft und ist nicht aufzuhalten. Donald Trump will und braucht ihn. Er braucht den „Außenfeind“, schon aus innenpolitischen Gründen. Die Karte „Strafzölle“wurde gespielt, als es um die Nachwahlen in Pennsylvania ging. Der Präsident wollte den Stahlarbeitern beweisen, dass er zu seinen Wahlversprechen steht. Die Strafzölle eignen sich auch gut für die NAFTA-Verhandlungen, ist doch Kanada der größte Stahlexporteur in die USA.
Strafzölle auf Stahl und ähnliche Produkte sind für die USA nichts Neues. Ronald Reagan hat sie verhängt, George W. Bush ebenfalls. Zudem sind US-Importzölle auf Stahl für die meisten Länder schon heute sehr hoch, für China und Südkorea betragen sie mehr als 90 Prozent. Die ökonomische Wirkung der Strafzölle auf die EU ist überschaubar, die Stahlproduktion wird um zirka ein Prozent sinken.
Warum also die Aufregung? Zum Ersten ist allen klar, dass das erst der Anfang von weiteren Maßnahmen ist. Das wirklich Beunruhigende ist aber die Begründung der Strafzölle mit Art. XXI WTO. Dabei handelt es sich um eine Regelung aus den 60er-Jahren, die einem Staat erlaubt, Zölle oder Handelsbeschränkungen zu erlassen, wenn er es aus Gründen der nationalen Sicherheit für notwendig hält. Das auch, wenn wie im konkreten Fall die Begründung absurd ist, werden doch nur drei Prozent der US-Stahlproduktion für den militärischen Bedarf benötigt. Und die meisten Importe stammen aus verbündeten NATO-Ländern.
Aber, und das ist entscheidend: Die Bezugnahme auf Art. XXI ist ein Frontalangriff auf die Welthandelsorganisation WTO und damit auf die Nachkriegsordnung des internationalen Handels, die die USA wesentlich geprägt haben. Aus gutem Grund hat man diesen aus Zeiten des Kalten Krieges stammenden Artikel bisher nie genutzt, sind doch seine Rechtsfolgen höchst unklar. Mit dem Bezug auf Art. XXI haben die USA ein Tabu gebrochen. Ob in diesem Fall Retorsionsmaßnahmen der betroffenen Länder laut WTO-Regeln gedeckt und Klagen beim Schiedsgericht zulässig sind, ist nicht eindeutig geregelt. Und wenn die betroffenen Länder klagen, wie wird das Schiedsgericht entscheiden? Gibt es den USA Recht, dann ist in Zukunft Art. XXI ein Freibrief für jedes Land, mit dem Verweis auf „nationale Sicherheit“Handelsbeschränkungen zu erlassen. Dann ist die WTO tot, denn warum sollten nicht auch andere Länder wie China oder Russland nach Bedarf die Karte „nationale Sicherheit“ziehen? Gibt das Schiedsgericht den Klägern Recht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die USA die WTO verlassen – die WTO wäre somit fast tot. Die Aufregung ist daher berechtigt. Was tun? Verhandlungslösungen sind immer einem „Krieg“vorzuziehen, aber wird Kompromissbereitschaft Trump nicht zu noch mehr Protektionismus anspornen?
Die EU hat daher keine andere Wahl, als gegen die Strafzölle bei der WTO zu klagen, auch wenn das schwierig wird und das Ergebnis unsicher ist. Die Achse Europa–China wird enger werden. Verlieren, politisch wie wirtschaftlich, werden die USA, aber auch Europa; der große Gewinner wäre China. Schadenfreude ist jedenfalls nicht angebracht.