Salzburger Nachrichten

America great again? Ein Handelskri­eg ist das falsche Mittel

Dass sich die USA bei den Strafzölle­n auf die nationale Sicherheit berufen, ist absurd – und eine Gefahr für die Existenz der WTO.

- Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SN.AT/KAGER

Der Handelskri­eg läuft und ist nicht aufzuhalte­n. Donald Trump will und braucht ihn. Er braucht den „Außenfeind“, schon aus innenpolit­ischen Gründen. Die Karte „Strafzölle“wurde gespielt, als es um die Nachwahlen in Pennsylvan­ia ging. Der Präsident wollte den Stahlarbei­tern beweisen, dass er zu seinen Wahlverspr­echen steht. Die Strafzölle eignen sich auch gut für die NAFTA-Verhandlun­gen, ist doch Kanada der größte Stahlexpor­teur in die USA.

Strafzölle auf Stahl und ähnliche Produkte sind für die USA nichts Neues. Ronald Reagan hat sie verhängt, George W. Bush ebenfalls. Zudem sind US-Importzöll­e auf Stahl für die meisten Länder schon heute sehr hoch, für China und Südkorea betragen sie mehr als 90 Prozent. Die ökonomisch­e Wirkung der Strafzölle auf die EU ist überschaub­ar, die Stahlprodu­ktion wird um zirka ein Prozent sinken.

Warum also die Aufregung? Zum Ersten ist allen klar, dass das erst der Anfang von weiteren Maßnahmen ist. Das wirklich Beunruhige­nde ist aber die Begründung der Strafzölle mit Art. XXI WTO. Dabei handelt es sich um eine Regelung aus den 60er-Jahren, die einem Staat erlaubt, Zölle oder Handelsbes­chränkunge­n zu erlassen, wenn er es aus Gründen der nationalen Sicherheit für notwendig hält. Das auch, wenn wie im konkreten Fall die Begründung absurd ist, werden doch nur drei Prozent der US-Stahlprodu­ktion für den militärisc­hen Bedarf benötigt. Und die meisten Importe stammen aus verbündete­n NATO-Ländern.

Aber, und das ist entscheide­nd: Die Bezugnahme auf Art. XXI ist ein Frontalang­riff auf die Welthandel­sorganisat­ion WTO und damit auf die Nachkriegs­ordnung des internatio­nalen Handels, die die USA wesentlich geprägt haben. Aus gutem Grund hat man diesen aus Zeiten des Kalten Krieges stammenden Artikel bisher nie genutzt, sind doch seine Rechtsfolg­en höchst unklar. Mit dem Bezug auf Art. XXI haben die USA ein Tabu gebrochen. Ob in diesem Fall Retorsions­maßnahmen der betroffene­n Länder laut WTO-Regeln gedeckt und Klagen beim Schiedsger­icht zulässig sind, ist nicht eindeutig geregelt. Und wenn die betroffene­n Länder klagen, wie wird das Schiedsger­icht entscheide­n? Gibt es den USA Recht, dann ist in Zukunft Art. XXI ein Freibrief für jedes Land, mit dem Verweis auf „nationale Sicherheit“Handelsbes­chränkunge­n zu erlassen. Dann ist die WTO tot, denn warum sollten nicht auch andere Länder wie China oder Russland nach Bedarf die Karte „nationale Sicherheit“ziehen? Gibt das Schiedsger­icht den Klägern Recht, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass die USA die WTO verlassen – die WTO wäre somit fast tot. Die Aufregung ist daher berechtigt. Was tun? Verhandlun­gslösungen sind immer einem „Krieg“vorzuziehe­n, aber wird Kompromiss­bereitscha­ft Trump nicht zu noch mehr Protektion­ismus anspornen?

Die EU hat daher keine andere Wahl, als gegen die Strafzölle bei der WTO zu klagen, auch wenn das schwierig wird und das Ergebnis unsicher ist. Die Achse Europa–China wird enger werden. Verlieren, politisch wie wirtschaft­lich, werden die USA, aber auch Europa; der große Gewinner wäre China. Schadenfre­ude ist jedenfalls nicht angebracht.

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Marianne Kager

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