Selbst 540.000 Unterschriften stoppen die Regierung nicht Kommt eine Verfassungsklage?
Der strenge Raucherschutz in der Gastronomie wird heute im Parlament gekippt. Das Volksbegehren dagegen läuft noch weiter. Wie geht die FPÖ damit um?
WIEN. Der Widerstand war bisher erfolglos. Die Regierung will heute, Donnerstag, das neue Rauchergesetz im Parlament beschließen. Dieses ermöglicht es, dass in der Gastronomie weiter geraucht werden kann, und zwar in abgetrennten Räumen. In kleineren Betrieben, in denen keine eigenen Raucherbereiche eingebaut werden können, dürfen ebenfalls weiter Zigaretten konsumiert werden. Ursprünglich hätte diese Regelung mit 1. Mai dieses Jahres auslaufen sollen. Ein allgemeines Raucherverbot in der Gastronomie hatte die FPÖ bei den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP allerdings gekippt.
Das Volksbegehren für die Beibehaltung des generellen Rauchverbots ist inzwischen von etwa 540.000 Österreicherinnen und Österreichern unterzeichnet worden. Das sind etwa acht Prozent der Wahlberechtigten. Tendenziell ist die Unterstützung in den Ballungsräumen größer als auf dem Land. Unterschriften werden noch bis 4. April gesammelt, dann werden diese an das Innenministerium übermittelt. Dieses legt dann eine Eintragungswoche für das AntiRaucher-Volksbegehren fest. Die Unterschriften, die bisher gesammelt wurden, bleiben dabei gültig. Der weitere Weg des Volksbegehren: Sobald es abgeschlossen ist, muss es im Parlament behandelt werden.
In dem neuen Gesetz sind auch einige Regelungen enthalten, die unterbinden sollen, dass Jugendliche zur Zigarette greifen. So soll es ein Verkaufsverbot von Tabakwaren an unter 18-Jährige geben. Bis Ende des Jahres soll diese Regelung umgesetzt werden. Verboten wird außerdem das Rauchen in Fahrzeugen, wenn Kinder mitfahren. Ärzte der medizinischen Universität Wien appellierten vor der Sitzung des Nationalrats noch einmal an die Regierungsparteien, das Gesetz nicht zu beschließen. Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin II von AKH und MedUni Wien, berichtete von acht Herzinfarktpatienten, die vergangenen Sonntag am AKH behandelt worden seien: „Alle haben geraucht.“
Der Rektor der MedUniWien, Markus Müller, unterstrich die für Gesundheit, Krankheit und Medizin generelle Bedeutung des Tabakkonsums. Es gebe de facto kein medizinisches Fachgebiet, das nicht mit Raucherschäden befasst sei – neben Kardiologie und Lungenheilkunde auch Urologie (Blasenkarzinom), HNO (Karzinome im Hals-NasenOhren-Bereich), die Zahnmedizin und auch die Gynäkologie (Frühgeburten). Die Stadt Wien und die SPÖ haben angekündigt, dass sie eine Verfassungsklage gegen das neue Rauchergesetz prüfen werden. Grund dafür ist, dass Arbeitnehmer in der Gastronomie schlechter vor den Auswirkungen des Tabaks geschützt sind als andere Arbeitnehmer. Dies sei nicht akzeptabel.
Und auch das Institut für Höhere Studien (IHS) hat sich zu Wort gemeldet. Die Wirtschaftsforscher sagen, es gebe keine Hinweise darauf, dass durch ein generelles Rauchverbot Gastronomiebetriebe in ihrer wirtschaftliche Existenz bedroht seien. Die Situation kleinerer Schankbetriebe müsste allerdings beobachtet und es müssten gegebenenfalls unterstützende Maßnahmen abgeleitet werden. Demgegenüber stünden positive gesundheitliche Effekte, insbesondere auch für unbeteiligte Nichtraucher unter dem Personal und den Gästen der Betriebe, stellte das IHS fest.
Auch in der Regierung wird darüber nachgedacht, wie man mit dem Anti-Raucher-Volksbegehren umgehen soll. Dabei kommt es vor allem auf die FPÖ an. Generalsekretär Harald Vilimsky deutete an, dass die FPÖ bei einer Unterstützungszahl von 900.000 Unterschriften über eine Volksbefragung nachdenken werde. Der Ausbau der direkten Demokratie ist ja ein zentrales Anliegen der Freiheitlichen. Im Regierungsprogramm ist vorgesehen, dass dafür die Verfassung geändert werden soll. Ab 900.000 Unterschriften zu einem Thema soll es darüber eine verpflichtende Volksabstimmung geben. Diese Regelung soll am Ende der Legislaturperiode beschlossen werden.
Ob die FPÖ bereit ist, bereits vorher diese Regelung anzuwenden, ist unklar. Parteichef HeinzChristian Strache legte sich dazu noch nicht fest.