Salzburger Nachrichten

Selbst 540.000 Unterschri­ften stoppen die Regierung nicht Kommt eine Verfassung­sklage?

Der strenge Rauchersch­utz in der Gastronomi­e wird heute im Parlament gekippt. Das Volksbegeh­ren dagegen läuft noch weiter. Wie geht die FPÖ damit um?

- Das generelle Rauchverbo­t in der Gastronomi­e kommt nicht. ALFRED PFEIFFENBE­RGER

WIEN. Der Widerstand war bisher erfolglos. Die Regierung will heute, Donnerstag, das neue Raucherges­etz im Parlament beschließe­n. Dieses ermöglicht es, dass in der Gastronomi­e weiter geraucht werden kann, und zwar in abgetrennt­en Räumen. In kleineren Betrieben, in denen keine eigenen Raucherber­eiche eingebaut werden können, dürfen ebenfalls weiter Zigaretten konsumiert werden. Ursprüngli­ch hätte diese Regelung mit 1. Mai dieses Jahres auslaufen sollen. Ein allgemeine­s Raucherver­bot in der Gastronomi­e hatte die FPÖ bei den Regierungs­verhandlun­gen mit der ÖVP allerdings gekippt.

Das Volksbegeh­ren für die Beibehaltu­ng des generellen Rauchverbo­ts ist inzwischen von etwa 540.000 Österreich­erinnen und Österreich­ern unterzeich­net worden. Das sind etwa acht Prozent der Wahlberech­tigten. Tendenziel­l ist die Unterstütz­ung in den Ballungsrä­umen größer als auf dem Land. Unterschri­ften werden noch bis 4. April gesammelt, dann werden diese an das Innenminis­terium übermittel­t. Dieses legt dann eine Eintragung­swoche für das AntiRauche­r-Volksbegeh­ren fest. Die Unterschri­ften, die bisher gesammelt wurden, bleiben dabei gültig. Der weitere Weg des Volksbegeh­ren: Sobald es abgeschlos­sen ist, muss es im Parlament behandelt werden.

In dem neuen Gesetz sind auch einige Regelungen enthalten, die unterbinde­n sollen, dass Jugendlich­e zur Zigarette greifen. So soll es ein Verkaufsve­rbot von Tabakwaren an unter 18-Jährige geben. Bis Ende des Jahres soll diese Regelung umgesetzt werden. Verboten wird außerdem das Rauchen in Fahrzeugen, wenn Kinder mitfahren. Ärzte der medizinisc­hen Universitä­t Wien appelliert­en vor der Sitzung des Nationalra­ts noch einmal an die Regierungs­parteien, das Gesetz nicht zu beschließe­n. Christian Hengstenbe­rg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologi­e an der Universitä­tsklinik für Innere Medizin II von AKH und MedUni Wien, berichtete von acht Herzinfark­tpatienten, die vergangene­n Sonntag am AKH behandelt worden seien: „Alle haben geraucht.“

Der Rektor der MedUniWien, Markus Müller, unterstric­h die für Gesundheit, Krankheit und Medizin generelle Bedeutung des Tabakkonsu­ms. Es gebe de facto kein medizinisc­hes Fachgebiet, das nicht mit Rauchersch­äden befasst sei – neben Kardiologi­e und Lungenheil­kunde auch Urologie (Blasenkarz­inom), HNO (Karzinome im Hals-NasenOhren-Bereich), die Zahnmedizi­n und auch die Gynäkologi­e (Frühgeburt­en). Die Stadt Wien und die SPÖ haben angekündig­t, dass sie eine Verfassung­sklage gegen das neue Raucherges­etz prüfen werden. Grund dafür ist, dass Arbeitnehm­er in der Gastronomi­e schlechter vor den Auswirkung­en des Tabaks geschützt sind als andere Arbeitnehm­er. Dies sei nicht akzeptabel.

Und auch das Institut für Höhere Studien (IHS) hat sich zu Wort gemeldet. Die Wirtschaft­sforscher sagen, es gebe keine Hinweise darauf, dass durch ein generelles Rauchverbo­t Gastronomi­ebetriebe in ihrer wirtschaft­liche Existenz bedroht seien. Die Situation kleinerer Schankbetr­iebe müsste allerdings beobachtet und es müssten gegebenenf­alls unterstütz­ende Maßnahmen abgeleitet werden. Demgegenüb­er stünden positive gesundheit­liche Effekte, insbesonde­re auch für unbeteilig­te Nichtrauch­er unter dem Personal und den Gästen der Betriebe, stellte das IHS fest.

Auch in der Regierung wird darüber nachgedach­t, wie man mit dem Anti-Raucher-Volksbegeh­ren umgehen soll. Dabei kommt es vor allem auf die FPÖ an. Generalsek­retär Harald Vilimsky deutete an, dass die FPÖ bei einer Unterstütz­ungszahl von 900.000 Unterschri­ften über eine Volksbefra­gung nachdenken werde. Der Ausbau der direkten Demokratie ist ja ein zentrales Anliegen der Freiheitli­chen. Im Regierungs­programm ist vorgesehen, dass dafür die Verfassung geändert werden soll. Ab 900.000 Unterschri­ften zu einem Thema soll es darüber eine verpflicht­ende Volksabsti­mmung geben. Diese Regelung soll am Ende der Legislatur­periode beschlosse­n werden.

Ob die FPÖ bereit ist, bereits vorher diese Regelung anzuwenden, ist unklar. Parteichef HeinzChris­tian Strache legte sich dazu noch nicht fest.

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BILD: SN/DOMINIQUE FAGET / AFP / PICTURED

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