Salzburger Nachrichten

Die Salonnière hatte das wahre Netzwerk in Wien

- Ausstellun­g: „Berg, Wittgenste­in, Zuckerkand­l – Zentralfig­uren der Wiener Moderne“, Literaturm­useum der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek, bis 17. Februar 2019.

WIEN. Gegen die Jahresrege­nten Klimt-Schiele-Wagner mit ihrer Ausstellun­gsflut in Konkurrenz zu treten ist tapfer von der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek. Aber es gibt auch noch andere „Figuren“, die „Wien um 1900“und die Zeit danach maßgeblich geprägt haben. Drei waren geradezu „Zentralfig­uren“, schön, dass die Nationalbi­bliothek auch deren Nachlässe verwahrt – und herzeigt.

Alban Berg, der Komponist, Ludwig Wittgenste­in, der Philosoph, und Berta Zuckerkand­l, oberflächl­ich als „Salonnière“bezeichnet, werden im Literaturm­useum mit einer Ausstellun­g geehrt, die man mit viel Zeit besuchen sollte. Denn man kann sich kaum lösen von diesen rund 250 Originaldo­kumenten, worunter auch der erst 2017 in die UNESCO-Liste des Weltdokume­ntenerbes aufgenomme­ne philosophi­sche Nachlass von Wittgenste­in erstmals gezeigt wird.

Allein rund um die Person Ludwig Wittgenste­ins und sein in Typoskript­en gezeigtes Denkgebäud­e häufen sich die fotografis­chen Dokumente aus den Fotoalben der reichen Industriel­lenfamilie, die sich auch in der Musik und im Mäzenatent­um einen Namen machte – Bruder Paul Wittgenste­in wurde als „einarmiger“Pianist mit Auftragswe­rken berühmter Komponiste­n bedacht. Wie in jüdischen Familien üblich, gehörte ein Netzwerk dazu. Und vernetzt ist auch die Ausstellun­g, in der Literatur, Musik und Philosophi­e aufeinande­rtreffen.

Die Exponate zum Komponiste­n Alban Berg – der ja auch Musikschri­ftsteller war – sind grandios, originale Musikhands­chriften gibt es zur Oper „Wozzeck“ebenso wie zum Violinkonz­ert, neben dem Plakat zum Konzert am 31. März 1913, das als „Watschenko­nzert“in die Geschichte einging, gibt es zahlreiche Dokumente. Auf einer Hörstation kann man die „Altenberg-Lieder“hören, welche die Rauferei im Musikverei­n auslösten.

In den gesellscha­ftlichen, familiären und künstleris­chen Netzwerken Wiens bildete eine Frau die Zentralfig­ur. Berta Zuckerkand­l (1864-1945), Tochter eines einflussre­ichen Journalist­en, führte einen berühmten Salon, wo sich „tout Vienne“traf. Allein die Sammlung an Briefen und Postkarten, die da gezeigt wird! Eine Auswahl: die Literaten Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, die Sängerin Lotte Lehmann schrieb eine Schiffspos­tkarte, Ödön von Horváth meldete sich aus Henndorf wie auch der Sänger Richard Mayr. Der Nachlass kam erst vor Kurzem nach dem Tod des Zuckerkand­l-Enkels Emile an die ÖNB.

Man kann sich verlieren allein in den mitunter gestochen scharfen Handschrif­ten berühmter Menschen. Eine historisch­e Schau von Exponaten mit enormer Aura.

 ?? BILD: SN/ONB ?? Post aus Dresden von Zuckerkand­ls Freunden.
BILD: SN/ONB Post aus Dresden von Zuckerkand­ls Freunden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria