Die Salonnière hatte das wahre Netzwerk in Wien
WIEN. Gegen die Jahresregenten Klimt-Schiele-Wagner mit ihrer Ausstellungsflut in Konkurrenz zu treten ist tapfer von der Österreichischen Nationalbibliothek. Aber es gibt auch noch andere „Figuren“, die „Wien um 1900“und die Zeit danach maßgeblich geprägt haben. Drei waren geradezu „Zentralfiguren“, schön, dass die Nationalbibliothek auch deren Nachlässe verwahrt – und herzeigt.
Alban Berg, der Komponist, Ludwig Wittgenstein, der Philosoph, und Berta Zuckerkandl, oberflächlich als „Salonnière“bezeichnet, werden im Literaturmuseum mit einer Ausstellung geehrt, die man mit viel Zeit besuchen sollte. Denn man kann sich kaum lösen von diesen rund 250 Originaldokumenten, worunter auch der erst 2017 in die UNESCO-Liste des Weltdokumentenerbes aufgenommene philosophische Nachlass von Wittgenstein erstmals gezeigt wird.
Allein rund um die Person Ludwig Wittgensteins und sein in Typoskripten gezeigtes Denkgebäude häufen sich die fotografischen Dokumente aus den Fotoalben der reichen Industriellenfamilie, die sich auch in der Musik und im Mäzenatentum einen Namen machte – Bruder Paul Wittgenstein wurde als „einarmiger“Pianist mit Auftragswerken berühmter Komponisten bedacht. Wie in jüdischen Familien üblich, gehörte ein Netzwerk dazu. Und vernetzt ist auch die Ausstellung, in der Literatur, Musik und Philosophie aufeinandertreffen.
Die Exponate zum Komponisten Alban Berg – der ja auch Musikschriftsteller war – sind grandios, originale Musikhandschriften gibt es zur Oper „Wozzeck“ebenso wie zum Violinkonzert, neben dem Plakat zum Konzert am 31. März 1913, das als „Watschenkonzert“in die Geschichte einging, gibt es zahlreiche Dokumente. Auf einer Hörstation kann man die „Altenberg-Lieder“hören, welche die Rauferei im Musikverein auslösten.
In den gesellschaftlichen, familiären und künstlerischen Netzwerken Wiens bildete eine Frau die Zentralfigur. Berta Zuckerkandl (1864-1945), Tochter eines einflussreichen Journalisten, führte einen berühmten Salon, wo sich „tout Vienne“traf. Allein die Sammlung an Briefen und Postkarten, die da gezeigt wird! Eine Auswahl: die Literaten Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, die Sängerin Lotte Lehmann schrieb eine Schiffspostkarte, Ödön von Horváth meldete sich aus Henndorf wie auch der Sänger Richard Mayr. Der Nachlass kam erst vor Kurzem nach dem Tod des Zuckerkandl-Enkels Emile an die ÖNB.
Man kann sich verlieren allein in den mitunter gestochen scharfen Handschriften berühmter Menschen. Eine historische Schau von Exponaten mit enormer Aura.