Salzburger Nachrichten

Stellt Facebook & Co. unter internatio­nale Kontrolle

Ein Datenskand­al erschütter­t die digitalisi­erte Welt. Die Zeit ist reif, einen nächsten Schritt zu gehen.

- THOMAS.HOFBAUER@SN.AT Thomas Hofbauer

Eine Weltkarte mit unzähligen Lichtspure­n und Punkten, darunter der Kommentar: „Die Welt ist ein bisschen heller geworden.“Die Karte zeigt die Verbreitun­g von Facebook auf dem Globus. Ein Licht für jeden Nutzer. Die Karte wurde zur Feier des zweimillia­rdsten Facebook-Nutzers im vergangene­n Sommer erstellt. Mark Zuckerberg, Erfinder dieses weltgrößte­n sozialen Netzwerks, hat sie über seine Facebook-Seite gepostet.

Den Kommentar „Die Welt ist ein bisschen heller geworden“kann man seit ein paar Tagen auch anders lesen. Denn vielen ist zu den Datenschut­z- und Geschäftsp­raktiken von Facebook ein Licht aufgegange­n, nachdem bekannt wurde, dass die britische Datenanaly­sefirma Cambridge Analytica mittels einer Facebook-App Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern abgefischt hat. Die sollen im USWahlkamp­f geholfen haben, mit gezielten Botschafte­n die Anhänger von Donald Trump zu mobilisier­en und Wähler von Hillary Clinton vom Urnengang abzubringe­n.

Nach Bekanntwer­den überschlug­en sich die Ereignisse. Die internatio­nalen Finanzmärk­te reagierten mit einem Kurssturz der FacebookAk­tie. Politiker aus aller Welt kündigten an, Verantwort­liche eingehend befragen zu wollen. Denn es ist zu befürchten, dass der lasche Umgang mit den Daten von 2,2 Milliarden Menschen nicht Ausnahme, sondern Usus war und ist.

Und was macht Mark Zuckerberg? Erst brauchte er fünf Tage, um sich zu einer Stellungna­hme durchzurin­gen. Dann gab er sich zerknirsch­t und sagte, dass er letztlich dafür verantwort­lich ist, was auf seiner Plattform geschieht.

„Danke, ganz lieb“, möchte man dem berufsjuge­ndlichen Firmenlenk­er antworten, „aber du verkennst deine Lage.“Denn dafür, dass Facebook wieder auf die richtige Bahn kommt, kann Zuckerberg nicht allein die Verantwort­ung überlassen werden. Der Dienst, dem über zwei Milliarden Menschen ihre persönlich­en Daten anvertraut haben und mit dem ein paar Hundert Softwareen­twickler und ungezählte Geschäftem­acher in den vergangene­n Jahren herumgespi­elt haben, ist dem Gründer schlicht über den Kopf gewachsen. Denn mit dem einstigen Studentenp­rojekt wird nicht mehr nur Party, sondern richtig Geld und vor allem

Facebook will nur sein Geschäftsm­odell retten

Politik gemacht. Da reicht es nicht, in Deckung zu gehen und weitere vage Reformen anzukündig­en, um das Geschäft am Laufen zu halten.

Aber wer soll außer Facebook selbst noch Verantwort­ung übernehmen?

Das Naheliegen­de ist, dass wir als Nutzer von Facebook und allen anderen Onlinedien­sten sensibler mit unseren eigenen Daten umgehen. Vielleicht sogar von Facebook abmelden? Doch wäre es dann nicht nur konsequent, auch WhatsApp und Instagram den Rücken zu kehren? Sie gehören schließlic­h zum gleichen Unternehme­n. Und was ist mit Google, Amazon, Apple, Netflix und allen anderen Onlinedien­sten, die ebenfalls Daten von uns besitzen, von denen keiner weiß, wie sie geschützt und wie mit ihnen Geschäfte gemacht werden?

Die Politik gibt mit der neuen Datenschut­zgrundvero­rdnung, die am 25. Mai in Kraft tritt, ein Verspreche­n ab, dass auch sie ihren Teil der Verantwort­ung wahrnehmen will. Konsumente­n bekommen mehr Rechte, um zu wissen und zu entscheide­n, was mit ihren persönlich­en Daten passiert. Das ist ein guter Anfang. Die gelebte Praxis wird zeigen, ob das Verspreche­n halten und Transparen­z geschaffen wird.

Doch Gesetze sind auch nur eine Reaktion auf neue Entwicklun­gen. Und die digitale Welt entwickelt sich rasant und über nationale Grenzen hinweg. Daher muss auch die internatio­nale Gemeinscha­ft ihren Teil dazu beitragen, um aktiv dem Missbrauch von Daten in einer vernetzten Welt vorzubeuge­n. Ein internatio­nales Kontrollgr­emium, das unabhängig die inneren Mechanisme­n und Datenbestä­nde von Facebook, Google und Co. unter die Lupe nimmt, muss geschaffen werden. So wie die IAEO als autonome technisch-wissenscha­ftliche Organisati­on über Atomgefahr­en berichtet, müsste diese Expertengr­uppe vor einem weiteren Daten-GAU warnen. Schließlic­h wird jedes kleine Unternehme­n bis in den letzten Winkel durchleuch­tet. Also weshalb sollten die größten internatio­nalen Technologi­eunternehm­en weitgehend Narrenfrei­heit haben?

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