Stellt Facebook & Co. unter internationale Kontrolle
Ein Datenskandal erschüttert die digitalisierte Welt. Die Zeit ist reif, einen nächsten Schritt zu gehen.
Eine Weltkarte mit unzähligen Lichtspuren und Punkten, darunter der Kommentar: „Die Welt ist ein bisschen heller geworden.“Die Karte zeigt die Verbreitung von Facebook auf dem Globus. Ein Licht für jeden Nutzer. Die Karte wurde zur Feier des zweimilliardsten Facebook-Nutzers im vergangenen Sommer erstellt. Mark Zuckerberg, Erfinder dieses weltgrößten sozialen Netzwerks, hat sie über seine Facebook-Seite gepostet.
Den Kommentar „Die Welt ist ein bisschen heller geworden“kann man seit ein paar Tagen auch anders lesen. Denn vielen ist zu den Datenschutz- und Geschäftspraktiken von Facebook ein Licht aufgegangen, nachdem bekannt wurde, dass die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica mittels einer Facebook-App Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern abgefischt hat. Die sollen im USWahlkampf geholfen haben, mit gezielten Botschaften die Anhänger von Donald Trump zu mobilisieren und Wähler von Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen.
Nach Bekanntwerden überschlugen sich die Ereignisse. Die internationalen Finanzmärkte reagierten mit einem Kurssturz der FacebookAktie. Politiker aus aller Welt kündigten an, Verantwortliche eingehend befragen zu wollen. Denn es ist zu befürchten, dass der lasche Umgang mit den Daten von 2,2 Milliarden Menschen nicht Ausnahme, sondern Usus war und ist.
Und was macht Mark Zuckerberg? Erst brauchte er fünf Tage, um sich zu einer Stellungnahme durchzuringen. Dann gab er sich zerknirscht und sagte, dass er letztlich dafür verantwortlich ist, was auf seiner Plattform geschieht.
„Danke, ganz lieb“, möchte man dem berufsjugendlichen Firmenlenker antworten, „aber du verkennst deine Lage.“Denn dafür, dass Facebook wieder auf die richtige Bahn kommt, kann Zuckerberg nicht allein die Verantwortung überlassen werden. Der Dienst, dem über zwei Milliarden Menschen ihre persönlichen Daten anvertraut haben und mit dem ein paar Hundert Softwareentwickler und ungezählte Geschäftemacher in den vergangenen Jahren herumgespielt haben, ist dem Gründer schlicht über den Kopf gewachsen. Denn mit dem einstigen Studentenprojekt wird nicht mehr nur Party, sondern richtig Geld und vor allem
Facebook will nur sein Geschäftsmodell retten
Politik gemacht. Da reicht es nicht, in Deckung zu gehen und weitere vage Reformen anzukündigen, um das Geschäft am Laufen zu halten.
Aber wer soll außer Facebook selbst noch Verantwortung übernehmen?
Das Naheliegende ist, dass wir als Nutzer von Facebook und allen anderen Onlinediensten sensibler mit unseren eigenen Daten umgehen. Vielleicht sogar von Facebook abmelden? Doch wäre es dann nicht nur konsequent, auch WhatsApp und Instagram den Rücken zu kehren? Sie gehören schließlich zum gleichen Unternehmen. Und was ist mit Google, Amazon, Apple, Netflix und allen anderen Onlinediensten, die ebenfalls Daten von uns besitzen, von denen keiner weiß, wie sie geschützt und wie mit ihnen Geschäfte gemacht werden?
Die Politik gibt mit der neuen Datenschutzgrundverordnung, die am 25. Mai in Kraft tritt, ein Versprechen ab, dass auch sie ihren Teil der Verantwortung wahrnehmen will. Konsumenten bekommen mehr Rechte, um zu wissen und zu entscheiden, was mit ihren persönlichen Daten passiert. Das ist ein guter Anfang. Die gelebte Praxis wird zeigen, ob das Versprechen halten und Transparenz geschaffen wird.
Doch Gesetze sind auch nur eine Reaktion auf neue Entwicklungen. Und die digitale Welt entwickelt sich rasant und über nationale Grenzen hinweg. Daher muss auch die internationale Gemeinschaft ihren Teil dazu beitragen, um aktiv dem Missbrauch von Daten in einer vernetzten Welt vorzubeugen. Ein internationales Kontrollgremium, das unabhängig die inneren Mechanismen und Datenbestände von Facebook, Google und Co. unter die Lupe nimmt, muss geschaffen werden. So wie die IAEO als autonome technisch-wissenschaftliche Organisation über Atomgefahren berichtet, müsste diese Expertengruppe vor einem weiteren Daten-GAU warnen. Schließlich wird jedes kleine Unternehmen bis in den letzten Winkel durchleuchtet. Also weshalb sollten die größten internationalen Technologieunternehmen weitgehend Narrenfreiheit haben?