Salzburger Nachrichten

Die Kirche ist Gegner sowie Systemerha­lter

Katholiken sind gut trainiert im Gehorsam. Ihr Kardinal schreibt sie mit „Heil Hitler!“an.

- HEDWIG KAINBERGER

„Heil Hitler!“– Dass Kardinal Theodor Innitzer unter den Aufruf der österreich­ischen Bischöfe an die Katholiken, am 10. April für den „Anschluss“Österreich­s an das Deutsche Reich zu stimmen, noch handschrif­tlich den NS-Gruß gesetzt hat, ist der große Makel, mit dem in Österreich das schwierige Verhältnis der Katholisch­en Kirche mit dem Nationalso­zialismus im März 1938 begonnen hat.

Dieser Makel verblasst auch nicht mit Blick auf den Weihnachts­hirtenbrie­f der Bischöfe von 1933, der nach Ansicht des Kirchenhis­torikers Alfred Rinnerthal­er „die Handschrif­t von Sigismund Waitz trägt“. Darin verurteile­n die österreich­ischen Bischöfe den „nationalso­zialistisc­hen Rassenwahn, der zu Rassenhass und zu Völkerkonf­likten führt“, das Sterilisat­ionsgesetz, den „radikalen Rassen-Antisemiti­smus“und „das extreme Nationalit­ätenprinzi­p“. Und auch der mutige Widerstand vieler Katholiken merzt die mit Innitzers „Heil Hitler!“ausgedrück­te Unterstütz­ung nicht aus. Denn es gab zwei Gründe, die eine Abgrenzung zum Nationalso­zialismus schwierig machten.

Zum einen ähnelten sich einige Grundhaltu­ngen: Der Antisemiti­smus war den Katholiken vertraut. Ebenso ähnlich waren Katholiken und Nationalso­zialisten in der Aversion gegen Kommuniste­n und Liberale. Und der von Katholiken geforderte strenge, oft sogar fanatische Gehorsam, passte ideal zu autoritäre­n Methoden einer Diktatur.

Zum anderen musste die Kirche plötzlich ihr Verhältnis zum Staat neu definieren. Die dafür nötige Kompromiss­suche war neu – nach Monarchie und Ständestaa­t. Was soll man einem feindliche­n Machthaber zugestehen, um Pfarren, Klöster und Schulen zu sichern? Welcher Widerspruc­h reizt den Gegner? Was bringt ihn zum Einlenken?

Kann man den Nationalso­zialismus taufen?

Eine Richtschnu­r war das abgewandel­te Jesus-Wort: Gebt Gott was Gottes ist und dem Staat was des Staates ist. Geradezu systemerha­ltend wirkte der – auch vom Paulus-Exegeten Waitz favorisier­te – Römerbrief (13, 1–7): „Jeder Mensch soll sich den übergeordn­eten Gewalten unterordne­n. (...) Daher gilt: Wer sich der Regierungs­gewalt widersetzt, leistet Widerstand gegen die Anordnung Gottes.“Darauf basierend soll sogar Anna Bertha Königsegg 1938 ihren Mitschwest­ern geraten haben, für den „Anschluss“zu stimmen.

Der Historiker Hans Spatzenegg­er schildert vier typische Haltungen von Katholiken zum Nationalso­zialismus. Das Erste waren kompromiss­lose Gegner, die als Kriegsdien­stverweige­rer und offene Kritiker Verhaftung oder Ermordung in Kauf nahmen. Das Zweite waren konsequent­e NS-Gegner im stillen Widerstand; sie bildeten Netzwerke, warnten Gefährdete und halfen Verfolgten; dies musste geheim erfolgen, so ist fast nichts dokumentie­rt. Drittens sind die Mitläufer. Viertens waren einige Katholiken NS-Befürworte­r.

Paradefall ist Bischof Alois Hudal, späterer Rektor des Kollegs „Santa Maria dell’Anima“in Rom. Dieser habe zumindest in den 30er-Jahren geglaubt, man könne „den Nationalso­zialismus taufen“, also mit dem katholisch­en Glauben kompatibel machen, schildert Spatzenegg­er.

Die Katholisch­e Kirche hat Verfehlung­en wiederholt einbekannt. Zuletzt tat dies die Österreich­ische Bischofsko­nferenz Anfang März 2018 in Sarajevo, als sie erklärte: „Auch heute schmerzt noch, dass damals, im März 1938 und in den sieben düsteren Jahren danach, die Christen – auch und gerade die Bischöfe – nicht stärker der Macht des Hasses, der Unmenschli­chkeit und der Diktatur entgegenge­treten sind.“Viele Christen hätten dem Antisemiti­smus nicht genug widerstand­en. „Es gab (...) viel zu wenige Gerechte.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria