82 „kritische“Straßennamen
Nazis und Antisemiten: Eine Historikerkommission hat in Graz vier Jahre lang Straßen, Gassen und Plätze auf ihre Bedenklichkeit geprüft. Das Ergebnis wirft viele Fragen auf.
Nach vier Jahre langer Detailarbeit wurde am Freitag der Abschlussbericht einer Historikerkommission vorgelegt, die bedenkliche Straßennamen aus dem Grazer Stadtbild herausfiltern sollte. Auf 1000 Seiten ist die Untersuchung von 1630 Verkehrsflächen der steirischen Landeshauptstadt lückenlos dokumentiert. Das Ergebnis: 82 Straßenbezeichnungen wurden als kritisch zu bewertend eingestuft, 20 davon befand die Kommission als „höchst bedenklich“. Empfehlungen, wie der für etwaige Umbenennungen zuständige Gemeinderat verfahren soll, sind allerdings nicht enthalten.
Bei den 20 höchst bedenklichen Straßennamen handelt es sich fast ausschließlich um Männer, die in der Nazizeit eine nicht unbedeutende Rolle in Graz spielten.
So schwierig sich die Arbeit für die 14 Kommissionsmitglieder gestaltete: Es wird auch nicht einfach, die richtigen Konsequenzen aus dem Bericht zu ziehen. „Straßennamen sind nicht nur eine Orientierungshilfe. Sie sind auch das Denkmal für eine Person oder ein Ereignis sowie ein Mittel zur Identifikation“, betonte der Historiker Karl Albrecht Kubinzky. Für ihn ist der Umgang mit Geschichte keiner, der leichte Entscheidungen beinhaltet.
Am Beispiel der Conrad-vonHötzendorf-Straße spaltete sich die öffentliche Meinung in Graz gewaltig. Der Generalstabschef der k. u. k. Armee und Feldmarschall wurde als „Kriegstreiber“eingestuft, der Straßenname infrage gestellt. „Die Umbenennung würde aber alles in allem eine Million Euro kosten. Doch
Umbenennen oder kommentieren?
was hätte er denn anderes tun sollen als kriegstreiben?“, fragt sich Kubinzky. Eine Formel, welche Tafel bleiben darf und welche wegmuss, scheint es nicht zu geben. Kubinzky versucht es vorsichtig: „Wenn jemand schwerwiegende Verfehlungen begangen hat, da sollte man sich schon fragen, warum man auf dessen Straßenschild nicht verzichten sollte.“Von Geschichtsverdrängung hält der Historiker aber nichts. Kubinzky spricht sich für Kommentierung aus. Als positives Beispiel nannte er Wien. Dort wurde etwa der Kernstockplatz in Ottakring, benannt nach Ottokar Kernstock, dem Verfasser des Hakenkreuzliedes, schon vor einigen Jahren umbenannt. Unter dem Straßenschild der Ostmarkgasse in Floridsdorf hängt hingegen eine Tafel, die darauf hinweist, dass der Begriff Ostmark ursprünglich nichts mit nationalsozialistischer Diktion zu tun hatte.