Turnschuhe sichern den Weg
Von der Frage, ob es mutig ist, immer auf seinen Überzeugungen zu bestehen. Oder ob das nur das Leben erschwert.
Mir war Carmen Jeitler-Cincelli auch unbekannt. Dann hörte ich sie im Abendjournal. „Manchmal ist es mutiger, im Sinn eines proeuropäischen Kurses und im Sinn eines wirtschaftlich sicheren Weges gegen die eigene Überzeugung zu handeln“, sagte sie. Nein. Das ist es nie, will man ihr sagen.
Es ging um nichts richtig Kompliziertes. Es wurde kein undurchschaubarer Weltzusammenhang debattiert, in dem die eigene Überzeugung vor lauter Komplexität leicht untergeht. Es war bloß die Debatte um das Rauchverbot. Jeitler-Cincelli sitzt neuerdings im Nationalrat für die ÖVP. Auf ihrer Homepage steht „Zeit für Neues“und: „Politik muss Mut zeigen und Dinge anpacken.“Das ist sehr allgemein. Im Nationalrat wurde sie konkreter. Ich schloss aus ihrer Wortmeldung, dass die Frau persönlich für ein Rauchverbot ist, aber politisch für eine solche Überzeugung in der falschen Partei. Mir geht es ähnlich. Ich bin auch fürs Rauchverbot, obwohl ich Raucher bin. Immerhin habe ich das Gefühl, ganze TrafikantenGenerationen am Leben zu halten. In dieser verzwickten Position fühle ich eine Verwandtschaft mit Jeitler-Cincelli. Ich fühle das auch, weil die Sache mit der eigenen Überzeugung in einer so validen Welt enorm heikel ist. Heute richtig. Morgen falsch. Alles geht so schnell. Erst recht in der Wirtschaft. Und um die geht es und nicht um Krebsrisiko. Oder Armut. Oder Ausgrenzung. Wenn ich so etwas sehe, muss ich ja nicht hinsehen und schau weg. Wie bei der Dummheit. Flexibilität ist verlangt, erst recht im Umgang mit den eigenen Werten. Was die bringen, ist schwer auszurechnen. Obwohl, jetzt, da ich den schier philosophischen Satz von Jeitler-Cincelli höre, überlege ich, oh- ne jede eigene Überzeugung, aber mit Sinn für wirtschaftlich sichere Wege zu investieren. Drogen und Menschenhandel sollen lukrativ sein, aber halt schon eher illegal. Die Waffenindustrie wird empfohlen. Dort wird legal gekämpft auf dem wirtschaftlichen Weg. Aber das ist mir dann alles schon eine Nummer zu groß. Man muss im Kleinen beginnen, auch bei der Opferung seiner Überzeugung. Ich bin etwa fest davon überzeugt, dass für Lolinger mit ihren 13 Jahren zwei Paar Turnschuhe reichen. Und dann sind wir ins Einkaufszentrum und Lolinger hatte ihr „Papa-du-bist-super-Gesicht“im Gesicht, so lieb und unbedarft, dass mir die Homepage der jungen Politikerin eingefallen ist. So geht Politik: Sie macht Lolinger glücklich und die Turnschuh-Wirtschaft auch. WWW.SN.AT/FLIEHER